Alles Gold Der Erde
Kleidung im Teich säuberten und Kendra im Schatten saß und das Lagertreiben verfolgte, blieb ein junger Mann vor ihr stehen, verbeugte sich schüchtern und sagte dann:
»Guten Morgen, Ma'am.«
Er hatte sich soeben rasieren und die Haare schneiden lassen; in seinem roten Nacken zeigte ein weißer Streifen die Stelle an, die bislang vom Haar verdeckt gewesen war. Sein Hemd war sauber, und seine vom Wasser aufgesprungenen Schuhe waren gebürstet. Seinen Hut hielt er mit beiden Händen fest. Kendra entsann sich dunkel, ihn einmal gesehen zu haben, und da er einen harmlosen Eindruck machte, dankte sie für seinen Gruß. Nachdem er seinen Hut in den Fingern gedreht hatte, setzte der Fremde zu seiner Rede an:
»Nun, Ma'am, ich habe von Ihrem – von Ihrem Mann gehört. Nur scheint er ja nicht wirklich Ihr Mann zu sein, und ich habe mir gedacht … Mein Name ist Frank Turner … und ich habe mir gedacht …«
»Sie haben was gedacht?« fragte Kendra beinahe atemlos.
»Ich habe gedacht, vielleicht könnten Sie und ich … verstehen Sie mich nicht falsch, Ma'am … ich will alles ehrlich und gesetzlich haben … In Sutters Fort gibt es einen Alcalde … er könnte uns aushängen …«
Kendras Mund öffnete sich, und er blieb auch eine Weile offen. Einen Heiratsantrag von einem Mann zu bekommen, mit dem sie nie auch nur ein Wort gewechselt hatte – das war derart erstaunlich, daß sie einen Moment glaubte, dieser Frank Turner müsse geradewegs aus Marnys Bar kommen. Als sie jedoch zu ihm aufstarrte, nahm er ihr Schweigen als Erlaubnis, in seiner Rede fortzufahren, und er war mitnichten betrunken. Er war bloß einsam, und sie wurde fortan als ein rarer Schatz in Kalifornien angesehen: als eine amerikanische Frau, die an keinen Mann gebunden war. Wieder beteuerte er, daß er sie heiraten wolle, gesetzlich und mit allen Rechten. Kendra schüttelte den Kopf.
»Bitte, Ma'am«, bat Turner. »Ich bin kein Strolch, kein Vorbestrafter oder sonstwie ein Gauner. Ich bin vor zwei Jahren nach Kalifornien gekommen, und zwar auf der Brigg Rainbow aus Salem. Ich habe gearbeitet, um mitgenommen zu werden. Ich habe dann in Monterey gelebt und immer eine ehrliche Arbeit gehabt – Sie können fragen, wen Sie wollen …«
Endlich gelang es Kendra, sich zu äußern. »Nein, nein, ich will nicht verheiratet sein!«
»Und ich hatte auch beim Goldschürfen ziemlich viel Glück, Ma'am. Ich habe schon fast zwölf Kilogramm …«
Kendra stand jetzt auf ihren Füßen. Das alles war ein Schock, und dennoch fühlte sie den beinahe überwältigenden Impuls, in ein Gelächter auszubrechen. Wenn dieser Hut in seinen Händen ein Blumenstrauß gewesen wäre, hätte Frank Turner wie ein Tölpel auf der Bühne ausgesehen, der vor seiner Herzdame schmachtet. Sie gab sich Mühe, vernünftig zu sein. »Sie sind sehr liebenswürdig, Sir. Es ist mir eine Ehre. Ich bin sicher, daß … aber ich kenne Sie ja gar nicht.«
»Wir könnten leicht miteinander bekannt werden, Ma'am.«
»Vielen Dank, nein«, entgegnete Kendra.
Sie mußte es mehrere Male sagen, ehe er begriff. Endlich wurde sie ihn los, doch als er enttäuscht davonzockelte, schaute sie ihm mit Besorgnis nach. Es bedurfte keiner großen Prophetie, um sich vorzustellen, daß dies nur der erste von vielen Anträgen gewesen war, die ihrer harrten, wenn ihre Geschichte allgemein bekannt wurde. Diese verdammte Mrs. Posey!
24
Auch Marny blieb nicht von Anträgen verschont. Die Männer waren nur allzu begierig, Delberts Platz im Planwagen einzunehmen, wenn sie es nicht auf den am Faro-Tisch abgesehen hatten. Doch lehnte auch sie ab. Die Geschäfte im Calico-Palast gingen gut, und vorerst schlief Marny ganz gern allein.
Allmählich stellte Kendra fest, daß sie nicht der einzige Mensch in Shiny Gulch war, der Anlaß hatte, diese Mrs. Posey zu verabscheuen. Ihretwegen hatte auch Gene Spencer viel Ärger zu erdulden. Obgleich er ganz unschuldig war, plagten ihn doch Gewissensbisse wegen des Kummers, den er verursacht hatte. Und Mrs. Posey machte die Dinge immer schlimmer. Da Marny sich geweigert hatte, mit ihr über Kendras Verhältnisse zu tratschen, quälte sie nun Gene. Er wischte sich den Nacken ab und erwiderte:
»Ich habe schon viel zuviel geredet.«
Und mehr wollte er nicht sagen. Dies enttäuschte Mrs. Posey natürlich sehr, doch war es nicht dazu angetan, ihr den Mund zu verschließen. Im ganzen Lager erzählte sie den Leuten, was sie wußte, und noch weit mehr, was sie nicht
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