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Alles hat seine Zeit

Titel: Alles hat seine Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ennio Flaiano
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Leiche siehst?», sagte ich, und meine Stimme überraschte mich.
    Der Turban hatte sich kaum mit Blut befleckt, doch ich hob ihn nicht hoch; es war übrigens unnütz, ihn hochzuheben. Die Frau war gestorben, ohne die geringste Bewegung zu machen, und nur einen Augenblick lang zitterte ich bei dem Gedanken, dass ich sie nicht getroffen hätte. Doch als auf dem Turban der kleine rote Blutfleck erschien und sich dann vergrößerte, und
als die Hand, die sie auf den Bauch gehalten hatte, zu Boden glitt, begriff ich, dass es geschehen war.
    Ich ging wieder zur Spalte, ohne zu wissen, warum, vielleicht um mich zu vergewissern, dass sie noch da war: Es war eine breite Spalte, mehr als einen Meter tief und vier Meter lang, es wuchsen ein paar Büsche darin.
    Ich kehrte zur Frau zurück. Der Turban war nun ganz mit Blut befleckt, darunter zeichnete sich die Form der Nase und des Mundes ab. Man musste diesen Körper bis zur Spalte tragen. Ich versuchte ihn aufzuheben, aber ich fiel beinahe darüber hin auf die Knie; ich war derart erschöpft, dass ich mich ausruhen, mich hinlegen musste, ein paar endlose Sekunden lang. Aber ich sagte mir, dass ich mich beeilen müsse, und ich war fassungslos bei dem Gedanken, dass ich nicht fähig sein würde weiterzumachen.
    Ich machte weiter. Ich breitete ihr baumwollenes Gewand auf dem Boden aus, es war ziemlich weit, eine blendend weiße römische Toga. Ich fasste die Frau unter den Achseln und achtete peinlich darauf, mich nicht zu beschmutzen; da es nun einmal erledigt werden musste, war es besser, es gut zu tun. Wie schwer sie war und wie anders als der Körper, den ich umarmt hatte! Als ich sie auf das Gewand gelegt hatte, versuchte ich an den Zipfeln zu ziehen. Ja, es ging.

    Der Turban haftete fest auf dem Gesicht und verschob sich auch nicht, als der Körper die Unebenheiten des Bodens überwinden musste; er bewegte sich nicht einmal, als ich die Frau in die Spalte gleiten ließ und sie mit einem dumpfen Aufschlag hineinfiel.
    Jetzt musste ich genügend Steine finden, um den Körper zu bedecken, aber an Steinen fehlte es im Buschwald gewiss nicht, das wusste ich nur allzu gut. Bevor ich die Steine hinlegte - ich war sorgsam darauf bedacht, sie von weit her zu holen -, breitete ich das Gewand über ihren Körper, wie ein Schweißtuch, und sprach ein kurzes Gebet. Auf das Gewand legte ich zwei gekreuzte Zweige, da mir einfiel, dass ich sie nicht auf den Grabhügel legen konnte. Während ich dies tat, stieß ich an einen Zipfel des Gewandes, und ihre Hand bewegte sich und kam zum Vorschein.
    Rasch bückte ich mich, band die Uhr vom Handgelenk los und steckte sie in die Tasche. Sie ging noch. Es tat mir leid, ihr dieses Geschenk, das sie angenommen hatte, zu entreißen, aber auf dem Gehäuse war mein Name eingeritzt, und ich durfte keine Spuren hinterlassen.
    Ach, mit welcher Sorgfalt wählte ich die Steine aus, und mit welcher Sorgfalt legte ich sie, einen um den anderen, auf diesen Körper, der sie weich aufnahm. Ich arbeitete lange Zeit, vielleicht eine
Stunde, um den Graben zu füllen, und ich legte immer größere Steine hinein, um zu verhindern, dass die Hyänen sie wegschieben könnten. Als die Steine die Höhe des Bodens erreicht hatten, nahm ich einige Hände voll Erde und verstreute sie so, dass keine Unebenheit mehr zu merken war. Ich klopfte die Erde mit den Händen fest und warf ein paar Sträucher aufs Grab.

8
    Plötzlich hörte ich den Klang eines Saiteninstruments und legte mich platt auf den Boden. Gutturale und kindliche Stimmen waren vom Pfad her aus der Richtung des Dorfes zu vernehmen, und bald darauf tauchte ein Zug von fünf Personen auf - ich sah ihn durch die Äste. Voran ging ein Priester (dass es ein Priester war, erkannte ich an seiner hohen weißen Kopfbedeckung ohne Krempe), begleitet von einem Alten, der sich zu seiner Linken hielt, schweigend und unbekümmert um das, was der Priester mit leiser Stimme zu ihm sagte. Es folgten zwei junge Burschen und ein kleines Kind, und sie waren es, die fröhlich plauderten. Einer der Burschen spielte auf einem langen Instrument aus Holz, einer Art grob gezimmerten Fiedel, die nur schrille und gedehnte
Töne von sich zu geben vermochte. Der Spieler bewegte den kleinen Bogen achtlos auf und ab, als ob die Sache ihn langweile, und der andere deutete lachend Schritte eines sehr einfachen, aber lebhaften Tanzes an, wobei er das Tempo verzerrte. Er drehte sich hier und da im Kreis herum und brachte das Kind mit seinen

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