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Alles hat seine Zeit

Titel: Alles hat seine Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ennio Flaiano
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Schwäche mit Zynismus), aber das Wichtigste ist, nicht morgen ins Lager zurückzukehren. »
    Der Major ging mit betonter Langsamkeit an der weit offen stehenden Tür vorüber. Vielleicht war er versucht einzutreten, aber er ging vorbei und tat, als habe er uns nicht gesehen, und ich stellte mir vor, dass unter seiner väterlichen Schale eine nie befriedigte Lüsternheit steckte. Er blieb in einiger Entfernung stehen und hielt lange inne, bevor er weiterging, unschlüssig, ob er eintreten solle oder nicht. Als er sich entfernte, kam eines der Mädchen, nämlich jenes, das mir vorher zugelächelt hatte (jetzt ertappte ich mich dabei,
dass ich dieses Lächeln herbeiwünschte), um mir Kaffee anzubieten.
    Sie stellte mir die Tasse auf die flache Hand und blieb stehen in der Erwartung, mich trinken zu sehen. Sie beugte sich lächelnd zu mir herab, und im Ausschnitt ihrer Tunika sah ich ihre Brüste. Dann sagte sie irgendetwas und setzte sich neben mich; sie schob ihren Arm unter den meinen.«Wird es nicht zu spät?», fragte ich den Leutnant.
    «Nein», erwiderte er. Dann fügte er hinzu:«Jetzt können wir sie nicht beleidigen, indem wir uns davonmachen. Und denk dran beim Kaffeetrinken, dass sie Salz statt Zucker nehmen.»
    Ich hielt die Tasse auf der Handfläche im Gleichgewicht und lauschte auf die Worte des Mädchens, die ich zwar nicht verstand, aber dennoch hören wollte; und als ihre Brust meine Schulter berührte, versuchte ich wegzurücken und leerte dabei die Tasse aus. Alle lachten, die Tasse wurde von neuem gefüllt, und von neuem spürte ich die Brust des Mädchens, frei in der Tunika, an meinem Arm. Ich saß still wie der Bräutigam vor den Verwandten, die nichts dagegen einzuwenden haben: Vielleicht warteten alle auf einen Wink von mir. Ihr Busen drängte immerzu, doch überaus träge, und wenn ich sie nur flüchtig ansah, verlegen darüber, dass ich sie überhaupt anzusehen wagte, tat sich ihr Gesicht auf zu einem
Lächeln von unschuldiger Komplizenschaft. Ich wollte gehen, aber ich wäre nicht bis zur Tür gekommen, wahrscheinlich hätte mich die Schar der Nachbarinnen daran gehindert, oder ich wäre hingefallen; außerdem hatte der Leutnant mit einem der kleinen Kinder zu reden begonnen, und alle folgten dieser Unterhaltung und lachten miteinander über die Antworten des Kindes. Die dicke Mutter der beiden Mädchen (es war die Mutter, denn sie war um deren Kopfputz besorgt und betrachtete sie voller Stolz) lachte mehr als alle anderen, während sie die Banknoten zählte, die das Kind verdient hatte, womit, begriff ich nicht recht.
    Wenn ich doch nur die Kraft gefunden hätte,«ihr»zu schreiben!«Ja, es ist beschlossen», dachte ich,«ich werde noch heute Abend schreiben; es nützt nichts, es hinauszuschieben.»Ich empfand einen solchen Trost durch diesen Entschluss, dass mir alles in diesem Zimmer vergnüglich vorkam und ich mit dem Kind zu lachen anfing, während das Mädchen sich noch fester an mich schmiegte und ebenfalls lachte. Ich ließ das Kind all sein Italienisch hersagen; dann und wann schaute es zur Zimmerdecke hinauf, als wollte es sie um Hilfe bitten, und bei der Anstrengung, sich zu erinnern, runzelte es die Stirn, und immer winkte es ab, damit man ihm ja nichts einflüstere; so sagte es
sein ganzes Repertoire auf. Meistens waren es unanständige Worte.«Die sind unentbehrlich», meinte der Leutnant.«Das Übrige ist Literatur.»
    Als das Kind fortfuhr und sich darüber freute, vor den Seinen, die es auf diese Weise bewundern konnten, die Prüfung zu bestehen, packte mich ein Lachanfall, und das Mädchen konnte mir gerade noch rechtzeitig die volle Tasse aus der Hand nehmen.
    Während ich das Taschentuch hervorzog, um mir die Augen zu trocknen, erblickte ich den Alten hinten im Hof. Oder war es jemand anders, der ihm sehr ähnlich sah? Nein, er war es; er schaute, von unserem Gelächter angezogen, durch die geöffnete Tür, dann kam er bis zur Tür, blieb stehen und schaute wieder, und schließlich durchquerte er das andere Zimmer, das dunkel war, und stellte sich auf die Türschwelle des Zimmers, in dem wir uns befanden.
    Niemand schien seine Anwesenheit bemerkt zu haben. Der Alte blieb auf der Schwelle stehen, und sein Blick hielt auf jedem einen Augenblick inne; er musterte einen nach dem anderen, wie wenn man jemanden sucht und ganz sicher sein will, ehe man es aufgibt. Sein Gesicht drückte bereits die Gewissheit der Erfolglosigkeit aus, dennoch forschten seine Augen und verweilten

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