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Alles hat seine Zeit

Titel: Alles hat seine Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ennio Flaiano
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auch der Tabak, auch das Petroleum, alles.«Ich habe nichts zu Abend gegessen», dachte ich,«und mein Magen spielt mir einen Streich.»Ich beroch noch einmal alles ringsherum, und da auch der Uniformrock mir jetzt von diesem Geruch durchtränkt zu sein schien und vielleicht sogar der Ursprung davon war, beschloss ich, ihn zu verbrennen.
    Die frische Nachtluft munterte mich wieder auf, und das Feuer zerstreute mich. Als ich zum Zelt zurückkam, sah ich ein Bündel, das gewohnte Bündel: Elias, der zwischen seinen Säcken hingekuschelt schlief. Und er hatte die Erde rings um das Zelt aufgeworfen, um nicht nass zu werden.«Deine dummen Vorstellungen», sagte ich zu mir. Ich weckte das Kind und ließ es ins Zelt hereinkommen.

    Es grüßte lächelnd wie immer, und nun sah ich in seinem Lächeln die Befriedigung über den Scherz, der ihm so vollkommen gelungen war. Ich atmete tief ein, um den Zorn zu besänftigen, der in mir aufstieg.«Setz dich», sagte ich.
    Elias setzte sich wie immer gesittet hin, ohne seine Augen von meinem Gesicht zu wenden, bereit, beim kleinsten Wink zu gehorchen. Ich fragte ihn, wo er die ganze Zeit gewesen sei.
    «Bei Johannes», erwiderte er.
    «Was macht der alte Totengräber? Schaufelt er das Grab für mich?»
    Ich hatte ganz einfach gesprochen, und Elias konnte es nicht verstehen. Er lächelte, den Kopf ein wenig geneigt.«Ich frage dich, was Johannes macht», wiederholte ich.
    «Nichts», entgegnete er. Meine Frage war wirklich überflüssig. Was konnte dieser Alte anderes tun als seine Toten bewachen und auf seinen eigenen Tod warten? Doch Johannes war nicht so wichtig. Ich hatte Elias gefragt, weil jetzt eine neue Hoffnung sich zu all meinen anderen Hoffnungen gesellen wollte. Vielleicht wusste er etwas.«Hör mal», sagte ich,«erzähle mir von Mariam.»
    Er zuckte die Achseln, gab aber keine Antwort.«Du hast gesagt, dass Mariam jung war. Warum lebte sie im Dorf und nicht hier, in Asmara oder in Gondar?»

    «Ich weiß nicht.»Dann fügte er hinzu:«Aber jetzt lebt sie nicht im Dorf.»
    «Vielleicht lebte sie im Dorf, weil sie krank war?»
    Der Kleine sah mich lange mit finsterem Gesicht an. Dann lächelte er.«Ich weiß nicht», sagte er. Auch diese Antwort schien mir seit langer Zeit vorbereitet zu sein, seit sehr langer Zeit.
    «Hast du nicht sagen hören, dass sie krank sei?», drang ich in ihn.
    «Ich weiß nicht.»Es war wenig aus ihm herauszukriegen, sie hatten ihn nur geschickt, damit einer von der Verschwörung dem Triumph beiwohne. Es war mir, als sähe ich Johannes und Mariam lachen bei seinen Antworten.«Du weißt auch gar nichts», sagte ich. Er lächelte und zuckte die Achseln, wie immer. Und wie immer hörte ich bald darauf seinen sanften Atem, ebenso langsam wie der Atem Mariams. Und ich roch jenen Hauch.«Du wirst dich daran gewöhnen müssen», sagte ich mir. Ich streckte mich auf dem Feldbett aus, leerer und leerer in meiner Verzweiflung.
    Beim Erwachen spürte ich, dass die Nacht mich besänftigt hatte. Die Betäubung wich einer unbekümmerten Heiterkeit. Ich war ruhiger, ich fühlte mich zu allem bereit. War dies etwa die Ergebung des Verdammten? Nun, ich musste wissen. Ich musste Gewissheit haben und nach Italien
zurückkehren. Mit meiner ganzen Seele wies ich den Gedanken, hier unten zu bleiben, von mir; nichts würde mich zurückhalten können, auch nicht die Gewissheit einer raschen Heilung, übrigens eine absurde Annahme, denn es war ja gerade erst der Anfang. Außerdem durfte niemandem irgendetwas an meinem Benehmen auffallen; deshalb rasierte ich mich an jenem Tag sorgfältig und zog die neue Uniform an, die einzige, die mir blieb.
    Ich rief meinen Burschen.«Von heute an», sagte ich zu ihm,«möchte ich das Zelt selbst besorgen. Verstanden?»Er verstand nicht. Er lächelte mit zustimmender Miene, vielleicht dachte er, ich wolle nachts irgendeine Frau mit hineinnehmen und sie versteckt halten.
    Ich musste Gewissheit haben. Ich ging am Zelt des Doktors vorüber und war versucht einzutreten, doch ich hielt mich zurück. Es könnte schlecht ausgehen. Der Doktor sah mich und rief:«Wie geht’s den Zähnen?»
    «Bestens», erwiderte ich. Ich war ruhig, als ich aus dem Lager hinausging und mich auf den Weg in die Stadt machte. Ich hatte einen neuen Gazeverband um die Hand gewickelt und darüber eine Binde von der Farbe meines Hemdes, damit es weniger auffiel. Ich ging mit raschen Schritten.

    Der Platz war um diese Zeit von Händlern überfüllt. Ich schlenderte

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