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Alles hat seine Zeit

Titel: Alles hat seine Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ennio Flaiano
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bedeutete ihr mit einem Wink, dass ich gehen müsse. Stattdessen blieb ich mitten im Zimmer stehen und sah auf die Hände der Leute. Auch nicht eine Wunde.
    Neben der Telefonbaracke standen Händler mit Parfum, unechten Teppichen und Schirmen, mit arabischen Drucken, auf denen die Heldentaten der Kreuzritter und der Muselmanen dargestellt waren. Die Kreuzritter waren hässlich und dreckig - die Muselmanen schön gekleidet und kühn. Der Händler hatte keine Wunden, aber ich hatte eine. Und dieser fast unmerkliche Hauch
war gewiss der Duft der Parfums, dieser scheußlichen, widerlich süßen Parfums, die der Händler in der Sonne zur Schau stellte.

5
    Der Platz wurde leer, dann belebte er sich von neuem. Ich schlug die dem Lager entgegengesetzte Richtung ein und ging den Weg, der zum Eukalyptuswäldchen führte. Der Doktor saß in seinem Liegestuhl, und nicht weit von ihm entfernt schickte der Soldat sich an fortzugehen.
    Als ich näher kam, wandte der Doktor sich um, aber meinen Gruß erwiderte er nachlässig müde. Er zeigte sich durchaus nicht erfreut, mich zu sehen, und ich erwartete auch keinen anderen Empfang, ich kannte seinen Ruf: Er war einer von diesen Faulenzern, welche die Einsamkeit lieben und sie zu verteidigen wissen. Er hatte sich hier niedergelassen, weit weg von allem, denn Afrika hatte eine einzige Furcht in ihm entwickelt: die Furcht, gestört zu werden. Er forderte jede Gefahr heraus, nur um seine süße Langeweile zu nähren; er las Zeitungen, die einen Monat alt waren; vielleicht wartete er nicht einmal auf den Tag der Heimkehr, alles schien ihm gleichgültig zu sein. Mein Besuch beunruhigte ihn allerdings.
Ich würde nicht lange bleiben, nur die Zeit, ihn um ein Buch zu bitten, um Gewissheit zu haben. Aber man musste einen Vorwand finden. Als er mir das Röhrchen Aspirin aushändigte, sagte er, ich hätte es in der Krankenstube meines Truppenteils verlangen sollen. Ich entgegnete ihm, dass meine Abteilung nicht in diesem Gebiet liege, und da er fortwährend schwieg, in die Zeitung schaute und es schon bereute, mir ein Gesprächsthema geliefert zu haben, fügte ich hinzu:«Meine Abteilung liegt hinter Gondar. Ich hätte eine Woche zu gehen», und ich ließ ein leichtes Lachen folgen.
    Es war ihm alles gleichgültig, er wollte in Ruhe gelassen werden. Aber ich musste sprechen.«Darf ich mich setzen?», fragte ich.
    Er gab keine Antwort, wies aber auf einen Hocker, den ich zuerst von dem Kleinkram befreien musste, der darauf lag. Noch immer dieselbe Unordnung wie das erste Mal, abgesehen vom Motorrad, das jetzt wieder ganz war: Nur die Räder fehlten.
    «Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle», und ich sagte irgendeinen Namen aufs Geratewohl; doch er verstand ihn ohnehin nicht, und ich dachte, er sei genau der Mann, den ich suchte. Allerdings musste ich einen Vorwand finden.
    Ehe der Soldat fortging, kam er mit pendelnden
Schritten, um den Doktor zu fragen, ob er etwas brauche. Der Doktor machte eine Handbewegung, die«Nein»bedeuten sollte; trotzdem begann er eine lange und ausführliche Rede, die der Soldat bereits auswendig zu kennen schien: Besorgungen waren zu erledigen, gewisse Briefe einzuwerfen, dieses war beim Kommando und jenes beim Krankenhaus zu verlangen. Er fing immer wieder von vorne an, erklärte es in aller Ruhe, verwirrte sich, widersprach sich, und der Soldat stand ein paar Schritte entfernt und nickte mit dem Kopf. Er würde ohnehin nichts tun. Schließlich verabschiedete der Doktor ihn barsch und machte sich wieder daran, die Zeitung zu lesen.
    Würde es mir gelingen, das Schweigen zu brechen?«Hier lässt sich’s gut aushalten», sagte ich. Er erwiderte, dass sich’s hier gut aushalten lasse, er wiederholte meine Worte, überdrüssig, andere suchen zu müssen; aber wenn ich kein Thema fände, würde die Unterhaltung abbrechen.«Hier könnte man malen», sagte ich. Er gab keine Antwort.«Oder man könnte auch schreiben. Es ist der ideale Ort dafür.»Er sah in seine Zeitung, ohne auch nur einmal zu mir aufzublicken, und als ich zu ihm sagte:«Ich stelle mir vor, Sie gehen nicht gern auf die Jagd», antwortete er mit einem schroffen«Nein», welches ganz entschieden das Ende des Gesprächs bedeuten sollte.

    Aber ich konnte nicht gehen.«Sind Sie der Chefarzt des Krankenhauses?», fragte ich. Da ich keine Antwort erhielt (er weigerte sich, er wollte mich ignorieren und richtete seinen Blick auf die Straße, fast als überlege er sich einen Fluchtweg), fügte ich hinzu, ob

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