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Alles ist erleuchtet

Alles ist erleuchtet

Titel: Alles ist erleuchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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ob es hier in der Gegend noch andere Überlebende gibt.« »Er will wissen, ob es irgendwelche restlichen Juden gibt.« »Nein«, sagte Augustine. »Es gibt einen Juden in Kiwertsi, der mir manchmal etwas zu essen bringt. Er sagt, dass er mit meinem Bruder in Lutsk Geschäfte gemacht hat, aber ich hatte gar keinen Bruder. In Sokeretschi gibt es einen Juden, der mir im Winter Feuer macht. Im Winter ist es so schwierig für mich, weil ich eine alte Frau bin und kein Holz mehr hacken kann.« Ich sagte das dem Helden. »Frag sie, ob sie glaubt, dass die etwas über Augustine wissen.« »Wissen die vielleicht was über Augustine?« »Nein«, sagte sie. »Sie sind so alt. Sie erinnern sich an nichts. Ich weiß, dass ein paar Juden aus Trachimbrod überlebt haben, aber ich weiß nicht, wo sie sind. Die Menschen sind so weit herumgezogen. Ich kannte einen Mann aus Kolki, der entkommen ist und nie mehr noch ein Wort gesagt hat. Es war, als ob seine Lippen mit Nadel und Garn zugenäht waren. Genau so.« Ich sagte das dem Helden. »Kommen Sie mit uns?«, fragte Großvater. »Wir würden für Sie sorgen und im Winter Feuer machen.« »Nein«, sagte Augustine. »Kommen Sie mit uns«, sagte er. »Sie können so nicht leben.« »Ich weiß«, sagte sie, »aber.« »Aber Sie.« »Nein.« »Dann.« »Nein.« »Könnten.« »Kann nicht.« Stille. »Bleibt einen Moment«, sagte sie. »Ich will ihm etwas schenken.« Da fiel es mir auf einmal auf, dass so wie wir ihren Namen nicht kannten, sie den Namen von Großvater und dem Helden auch nicht kannte, nur meinen. »Sie geht hinein, um dir etwas zu holen«, sagte ich zu dem Helden. »Sie weiß nicht, was gut für sie ist«, sagte Großvater. »Sie hat nicht überlebt, um so zu leben. Wenn sie aufgegeben hat, sollte sie sich umbringen.« »Vielleicht ist sie bei Anlässen glücklich«, sagte ich. »Wir wissen es nicht. Ich glaube, dass sie heute glücklich war.« »Sie sehnt kein Glück«, sagte Großvater. »Sie kann nur leben, wenn sie melancholisch ist. Sie will, dass wir uns wegen ihr reuevoll fühlen. Sie will, dass wir über sie trauern, nicht über die anderen.«
    Augustine kam aus ihrem Haus und hatte eine Schachtel, auf der mit blauem Stift FÜR den fall stand. »Hier«, sagte sie zu dem Helden. »Sie will, dass du das nimmst«, sagte ich zu ihm. »Das kann ich nicht«, sagte er. »Er sagt, das kann er nicht.« »Er muss.« »Sie sagt, dass du musst.« »Ich habe nicht verstanden, warum Rifke ihren Ehering in dem Topf versteckt hat und warum sie zu mir gesagt hat: Nur für den Fall. Nur für den Fall - und dann was? Was?« »Nur für den Fall, dass sie getötet würde«, sagte ich. »Ja, und dann was? Warum sollte der Ring irgendein Unterschied sein?« »Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Frag ihn«, sagte sie. »Sie will wissen, warum ihre Freundin den Ehering versteckt hat, als sie dachte, dass sie getötet werden würde.« »Damit es einen Beweis gab, dass es sie gegeben hat«, sagte der Held. »Was?« »Einen Beweis.
    Eine Bestätigung. Einen Beleg.« Ich sagte das zu Augustine. »Aber dafür braucht man keinen Ring. Man kann sich auch ohne Ring erinnern. Und wenn diese Menschen vergessen oder sterben, wird niemand mehr etwas von dem Ring wissen.« Ich sagte das zu dem Helden. »Aber der Ring könnte eine Erinnerung sein«, sagte er. »Jedes Mal, wenn man ihn sieht, denkt man an sie.« Ich sagte zu Augustine, was der Held gesagt hatte. »Nein«, sagte sie. »Ich glaube, es war für einen Fall wie jetzt. Für den Fall, dass eines Tages jemand kommt und sucht.« Ich konnte nicht wahrnehmen, ob sie zu mir oder zu dem Helden sprach. »Damit wir etwas zum Finden haben«, sagte ich. »Nein«, sagte sie. »Der Ring existiert nicht für dich. Du existierst für den Ring. Der Ring ist nicht für den Fall, dass es dich gibt. Du bist für den Fall, dass es den Ring gibt.« Sie grub in der Tasche des Kleides und holte einen Ring heraus. Sie versuchte, ihn auf den Finger des Helden zu stecken, aber er passte nicht, und so versuchte sie, ihn auf den zierlichsten Finger des Helden zu stecken, aber trotzdem passte er nicht. »Sie hatte kleine Hände«, sagte der Held. »Sie hatte kleine Hände«, sagte ich zu Augustine. »Ja«, sagte sie, »so klein.« Wieder versuchte sie, den Ring auf den kleinen Finger des Helden zu stecken, und sie tat das sehr hart, und ich konnte sehen, dass das dem Helden viele Arten von Schmerzen machte, obwohl er nicht einmal eine einzige davon zeigte. »Er passt

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