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Alles ist erleuchtet

Alles ist erleuchtet

Titel: Alles ist erleuchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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Immer, wenn wir uns in meinem Haus versammeln, mache ich Mist...
    Bei der Erinnerung, half ihm die trauernde Schanda, doch Didl war bereits eingeschlafen. Sie weckte ihn und flüsterte: Erinnerung.
    Richtig, sagte er übergangslos und blätterte in einem Stapel Papier auf seiner Kanzel, die in Wirklichkeit ein Hühnerkäfig war. Erinnerung. Erinnerung und Wiedergabe. Und natürlich Träume. Ist Wachsein etwas anderes als das Deuten unserer Träume, und ist Träumen etwas anderes als das Deuten unseres Wachseins? Der Kreis der Kreise! Träume, ja? Nein?
    Ja. Ja, heute ist der erste Sabbat. Der erste Sabbat des Monats. Und weil heute der erste Sabbat des Monats ist, müssen wir »Das Buch der Wiederkehrenden Träume« ergänzen. Ja? Kann mir jemand sagen, ob ich dabei bin, Mist zu machen?
    Ich hatte in den letzten zwei Wochen einen höchst interessanten Traum, sagte Lilla F., eine Nachfahrin des ersten Wanklers, der das heilige Buch fallen gelassen hatte.
    Ausgezeichnet, sagte Didl und zog Band IV des »Buches der Wiederkehrenden Träume« aus dem provisorischen Schrein, der in Wirklichkeit ein Holzofen war.
    Ich auch, warf Schloim ein. Mehrere sogar.
    Ich hatte auch einen wiederkehrenden Traum, sagte Jankel.
    Ausgezeichnet, sagte Didl. Höchst ausgezeichnet. Es dauert nicht mehr lange und ein neuer Band ist abgeschlossen!
    Aber zuerst, flüsterte Schanda, müssen wir die Einträge des letzten Monats noch einmal lesen.
    Aber zuerst, sagte Didl mit der Autorität eines Rabbis, müssen wir die Einträge des letzten Monats noch einmal lesen. Um vorwärts zugehen, müssen wir zurückgehen.
    Aber mach nicht zu lang, sagte Schloim, sonst vergesse ich alles. Es ist erstaunlich, dass ich es nicht schon längst vergessen habe.
    Er braucht genau so lange, wie er eben braucht, sagte Lilla.
    Ich brauche genau so lange, wie ich eben brauche, sagte Didl, und seine Hand färbte sich schwarz von der Asche, die den ledernen Einband des Buches bedeckte. Er schlug es weit hinten auf, nahm den silbernen Thorastab, der in Wirklichkeit ein Blechmesser war, und während er der Klinge folgte, die durch das Herz eines Wanklertraums schnitt, begann er zu intonieren:
    4:512 - Der Traum von Sex ohne Schmerz: Vor vier Nächten träumte ich von Uhrzeigern, die wie Regen aus dem Weltall zu Boden fielen, vom Mond, der wie ein grünes Auge aussah, von Spiegeln und Insekten, von einer Liebe, die nie verging. Es war nicht das Gefühl der Vollständigkeit, das ich so sehr brauchte, sondern das Gefühl, nicht leer zu sein. Der Traum endete, als ich spürte, dass mein Mann in mich eindrang. 4:513 - Der Traum von Engeln, die träumten, sie seien Menschen: Während eines nachmittäglichen Nickerchens träumte ich von einer Leiter. Engel schlafwandelten mit geschlossenen Augen hinauf und hinunter, ihr Atem ging schwer und stumpf, und ihre Schwingen hingen schlaff herab. Ich stieß einen alten Engel an, als ich an ihm vorbeistieg, und er wachte erschrocken auf. Er sah aus wie mein Großvater, bevor er im vergangenen Jahr starb - damals betete er jeden Abend, er möge im Schlaf sterben. Oh, sagte der Engel zu mir, gerade habe ich von dir geträumt. 4:514 - Der Traum vom - so albern es klingt - Fliegen. 4:515 - Der Traum vom Walzer aus Schmausen, Hungern und Schmausen. 4:516 - Der Traum von den körperlosen Vögeln (46): Ich weiß nicht, ob man das als Traum oder als Erinnerung bezeichnen soll, denn es ist tatsächlich passiert, aber wenn ich einschlafe, sehe ich den Raum, in dem ich um meinen Sohn getrauert habe. Diejenigen unter euch, die dabei waren, werden sich erinnern, wie wir dagesessen haben, ohne zu sprechen, und nur so viel gegessen haben, wie wir essen mussten. Ihr werdet euch erinnern, dass ein Vogel durch das Fenster stürzte und auf den Boden fiel. Diejenigen unter euch, die dabei waren, werden sich erinnern, dass er vor dem Sterben mit den Flügeln zuckte und dass, nachdem er weggebracht worden war, ein Blutfleck auf dem Boden zurückblieb. Aber wer von euch hat zuerst den Negativvogel gesehen, den er in der Fensterscheibe hinterlassen hatte? Wer hat zuerst den Schatten gesehen, den der Vogel hinterlassen hatte, den Schatten, an dem sich jeder schnitt, der es wagte, die Konturen mit dem Finger nachzuzeichnen, den Schatten, der ein besserer Beweis für die Existenz des Vogels war als der Vogel selbst? Wer war dabei, als ich meinen Sohn betrauerte und mich entschuldigte, um diesen Vogel eigenhändig zu beerdigen? 4:517 - Der Traum vom Verlieben, von

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