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Alles ist grün

Alles ist grün

Titel: Alles ist grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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Einweihungsgeschenk; das hatte meine Mutter vorgeschlagen und finanziert. Michelob ist ein Bier, das mein Onkel mag und weniger trinkt als inhaliert. Das ist praktisch das Einzige, was er inhalieren kann. Mit fünfundfünfzig hat er jetzt ein fortgeschrittenes Lungenemphysem. Nur die paar Schritte von einem Stuhl zur Küchentür, ein kräftiger Handschlag und das Übernehmen einer meiner leichten Reisetaschen, und schon muss er seine Schnaufübungen machen. Er plumpst wieder auf seinen Stuhl und holt zwischen geschürzten Lippen rhythmisch und konzentriert Luft, während meine Tante mich umarmt, von ›Meine Güte‹ und ›Na, so was‹ durchsetzte Glücksgeräusche von sich gibt und dann mit meinem ganzen Gepäck auf einmal nach oben flitzt. Ich habe nicht viel Gepäck. Die zerknickte Hülle habe ich bei mir. Mein Onkel pfeift sich keuchend etwas Adrenalinspray ein und schnauft dann mit aller Kraft weiter, lächelt dünn und wischt meine Anteilnahme und seine Beschwerden vom Tisch. Er bläst, als wollte er eine Flamme löschen – und so fühlt sich das für ihn vielleicht auch an. Er hat weiter abgenommen, besonders an den Beinen; die sehen unter der Hose wie Stöckchen aus, wenn er so dasitzt und keucht. Aber auch dünn und zerknittert ist er noch eine unheimliche, brustlose Kopie meiner Mutter, mit grauweißen Haaren, einem ovalen Gesicht mit hohen Wangenknochen und blauen Pekannüssen als Augen. Wie bei meiner Mutter können diese Augen so pfiffig aufleuchten wie bei einem Vogel oder traurig und milchig wie die eines Wals schauen; wenn mein Onkel schnauft, sind sie leer, unkoordiniert, fort. Meine Tante ist eine ungerechtfertigt hübsche Sechzigerin, echt, aber nicht übertrieben nett, eine Lady, der man allenfalls den Vorwurf machen könnte, dass sie sich die Haare in einem süßen Bernsteinton färbt, der in der Natur nicht vorkommt. Sie hat mein transportables Leben insGästezimmer gestellt und fragt, ob ich was zum Abendessen möchte. Mir hängt der Magen in der Kniekehle. Ein Fernseher läuft, ohne Ton, neben einem uralten Elektroherd aus angeschlagenem weißen Emaille und einem neuen braunen Geschirrspüler. Mein Onkel sagt, ich sähe aus, als hätte ich mein Auto hergebracht und nicht umgekehrt. Ich weiß, dass ich nicht gut aussehe. Ich bin fast dreißig Stunden am Stück gefahren, eine Fahrt, die nur vom Entleeren und Füllen diverser Flüssigkeitsbehälter unterbrochen wurde. Mein Hemd knirscht von altem Schweiß, ein Stück echt zählebige Apfelschale steckt zwischen den Schneidezähnen, und mit einem Blutgefäß in einem Auge stimmt was nicht, nachdem ich so lange in die Ferne und auf den Beton gestarrt habe – im Augenwinkel ist eine kleine rote Nova, und beim Blinzeln stellt sich ein sandiger Schmerz ein. Meine Haare müssen so dringend gewaschen werden, dass sie schon fast gelb sind. Ich sage, ich bin müde, und setze mich. Meine Tante holt Brot aus einem echten Brotkasten und eine Schüssel Thunfischsalat aus dem Kühlschrank und rührt ihn mit einem Holzlöffel um. Mein Onkel beäugt das Bier auf der Arbeitsplatte, zwei große silbrige Sixpacks, unter denen sich auf dem Linoleum schon helle Kondenswasserpfützen bilden. Er sieht meine Tante an, die in sich hineinseufzt und fast unmerklich nickt. Mein Onkel kommt sofort hoch, von Gebrechlichkeit keine Spur; er löst zwei Flaschen heraus, stellt mir eine hin, poppt seine auf und trinkt sie in einer Reihe von, wie ich leider sagen muss, unschön schaumigen Schlucken halb aus. Meine Tante fragt, ob ich ein Sandwich möchte oder zwei. Mein Onkel sagt, ich soll den Thunfisch mal aufessen, sie hatten den jetzt schon zweimal, und wenn er noch länger rumhängt, müssen sie ihm bald einen Namen geben. Seine Augen liegen ganz tief in den Höhlen, und er braucht sie zum Lachen, zum Spotten und für Gefühlsäußerungen. Genau wie seine Schwester. Er betrachtetdie Sears-Hülle vor mir auf dem Tisch und fragt, was ich da habe. Meine Tante wirft ihm einen Blick zu. Ein Erinnerungsstück, sage ich. Er sagt, es sieht so aus, als hätte es eine harte Fahrt hinter sich. Die Küche riecht herrlich: nach altem Holz, neuem Brot und etwas durchdringend Süßlichem mit einem Beigeschmack von Thunfisch. Ich höre, wie der Wagen meiner Mutter draußen in der Auffahrt knackend abkühlt. Meine Tante stellt mir zwei dicke Sandwiches hin, poppt mein großes Bier auf, drückt mich noch mal herzlich mit einer Freude, die sie nicht verbergen und ich nicht verstehen kann,

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