Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles ist grün

Alles ist grün

Titel: Alles ist grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
Vom Netzwerk:
nehmen, wenn das entsprechende Urteil ergehe. Männer, die man nicht gewählt hat, können einem mit einem Druck auf einen roten Knopf das Leben nehmen, Jack. Die Welt kann einem die Liebsten, die Geliebte, die einzige wahre Liebe nehmen. Man kann einem Mann seine Träume nehmen. Seine Männlichkeit, die Integrität von Schwanz und Hintern: Seifenblasen im Sturm. Was ist dann noch sein Eigen, was kann er dann noch sicher festhalten?
    Eines, sagt er. Er hatte Zeit zu überlegen, und er ist kein Idiot, und ihm ist nur eines eingefallen. Die Ehre kann man einem Menschen nicht nehmen. Sie allein kann nur gegeben werden. Und sie kann gegeben werden – mit guten Gründen und ohne gute Gründe. Aber jedenfalls nur gegeben. Sie ge hört einem. Der einzige Pfeil, den man nicht verlieren kann, außer man lässt ihn fliegen. Sein einziges Eigen.
    Dave hat es durchdacht, und er hat beschlossen, nicht zu singen. Er verrät nichts. Nicht einmal Mark. Dave wird gierig sein. Er wird sich weigern, das Letzte, was ihm geblieben ist, wegzugeben.
    Und jetzt aufgepasst, denn Jack Lord ist … perplex. Diesem Schwächling bedeutet das eigene Leben weniger als irgendeine Idee? Wäre der Gefängnisdirektor jünger, könnte er sein Gesicht zu einem Ausdruck der Überraschung verziehen, den Dr. Ambrose, wie er zugibt, nur zu gerne gezeigt sähe. Weil das keine Logik hat. Keinen Instinkt. Keinen Sinn. Eine imaginäre Schuld einem Minimalmenschen gegenüber, der ihn wegen einer scheißästhetischen Macke kaltmachen wird? Jack Lords weißes Gesicht verzieht sich tatsächlich ein bisschen. Was sind denn das für Tiere, diese heutigen Jugendlichen? Unsere Zukunft? Das Festland von morgen? Dieser Bursche würde seinen Schwanz fressen und sterben, um seine durchgeknallte abstrakte Schuld gegenüber einem Menschen ohne, und damit meint Jack Lord null, Wert zu ehren?
    Der liegende Mörder möchte den stehenden Gesetzeshüter nur zu gern verstehen lassen. Es geht nicht darum, Für Wen man schuldig geworden ist. Dafür ist Dave einfach ein viel zu beschissener Egoist. Er hat das Gefühl, sein von Knüppeln verkrüppeltes Pflichtgefühl ist alles, was ihm noch geblieben ist. So geblieben wie seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Seine Vergangenheit ist verlebt, die kann er nicht mehr ändern; über sie hat er keine Kontrolle. Und über seine Zukunft weiß Gott erst recht nicht. Die Gegenwart ist, ja, also die wartet wahrscheinlich bloß darauf, von einem Markt für endlose Zichten plattgemacht zu werden. O Mr. Lord, aber die Tatsache, dass er nicht singt: Das ist die Münze seiner selbst, die Wertbeständigkeit gegen das wellenartige Hochwogen jeder Kurve. Dave hütet, schätzt und hortet seine Ehre und wird sie nicht ausgeben. Er wird sie für nichts hergeben, was der kosmische Monty hinter irgendeinem silbernen Vorhang versteckt haben könnte.
    (Ja, gut, es zieht sich etwas hin. Einmal von der Leine gelassen, gehorcht Nechtrs liebhaberkalte Leidenschaft keinen minimalistischen Imperativen, weiß Magda.)
    Von daher nein. Tut ihm leid. Er würde sich das Leben gern etwas kosten lassen. Er würde den Fälscher, der sich auf seinen Kopf gesetzt hat, gern bis ans Ende der Zeiten auf etwas sehr Spitzem auf und ab hüpfen sehen. Er würde Jack Lord gern dabei helfen, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Der berühmte Gefängnisdirektor kann gern alles haben, bis auf sein Eigen. Dies gehört ihm.
    Diese letzte Passage ist, ob man’s glaubt oder nicht, ein Monolog, ein Miststück von Jauchegrubenformat, das für uns im Seminarraum umso mehr Wucht entfaltete, als es von herzergreifend unselbstgefälliger Sentimentalität war, wie ein gesunder, aber schlichter und irgendwie abgefuckter Junge uns Kommilitonen und seinem Dozenten, Magdas ehemaligem Geliebten, J.   D.s abgefeimtem Kunden, heute etwas so vor aller Augen Verborgenes wie eine Nase enthüllte.
    Aber singt Dave? ist die Frage, die Mark Nechtrs unvollendeter und letztlich unvollendbarer Text für den E.   C.   T.-Workshop aufwirft. Singt der Bogenschütze letztlich vielleicht doch noch? Sieht eindeutig nicht danach aus. Aber Ambrose hält uns an, hier genau auf die Stimme der Geisel zu achten. Diese Dave-Figur wird im ganzen Text sehr sorgfältig als grundsätzlich schwach charakterisiert. Diese Schwäche macht seinen ganzen Charakter aus. Ist das wirklich er selbst, wie er sich in seinen Verbänden vor geradezu vorchristlich alten Ideen niederwirft? Der Scheiß Jack Lord gegenüber: Das waren doch

Weitere Kostenlose Bücher