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Alles ist grün

Alles ist grün

Titel: Alles ist grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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zwischen den Zeilen Aufschluss über Verfassung, Verbleib, Perspektive und Wahrscheinlichkeit einer unversehrten Heimkehr gibt. … Die kleine Nebenbemerkung kostete Mark zwei Monate.
    Aber Dr. Ambrose ist gegen so etwas auch nicht gefeit. Er ist eindeutig besessen von Kritik, wie man von etwas besessen sein kann, wovor man durch und durch Angst hat. Kurz vor Thanksgiving erzählte er uns, wir sollten uns mal vorstellen, wir kämen am Kritikladen vorbei, und im Schaufenster sähen wir ein Schild: Ausverkauf nach Brandschaden! Räumungsverkauf für umfassende Erleuchtung, Belohnung, verstehen und Erfüllung! Alles muss raus! Preise im Keller! Wir würden alle reinrennen, die Visa-Karten gezückt. Und dann stellte sich heraus, dass nur das Schild im Schaufenster vom Kritikladen zum Verkauf stünde.
    D.   L. behauptet, selbst dieses quälende kleine Bild hätte Ambrose an sich gerissen, und die ganze »Kunst« des Professors sei nichts weiter als der Geheimschrank eines Kleptomanen mit sehr gutem Geschmack.
    Und doch übt das Zeug einen schwerkraftartigen Sog auf Mark Nechtr aus, der Wortspielen misstraut, der einer Allusion dieselben Gefühle entgegenbringt wie Ambrose der Illusion, und der Metafiktionen betrachtet, wie ein Bluter Rasiermesser betrachtet. Aber das Zeug geht ihm nicht aus demKopf. D.   L. schon. Es ist schon fast ein Wunder, dass er im Osten überhaupt noch produziert.
    Auf ähnliche Weise kann man, die Schulter voran, dreißig orthogonale Meter vor dem roten Ring stehen, der das goldene Zentrum umgibt, die zwölfsträngige Sehne bis an die Nasenspitze spannen, die Pfeilspitze zielt bei Vollauszug drei bis neun Zentimeter links an der wahren Geraden zur Zielscheibenmitte vorbei, obwohl die von der Sehne verfälschte Pfeilnocke auf der Linie liegt. Weil der Bogen im Weg ist, klar? Logischerweise sollte der Pfeil also, wenn Visieren und Zielen wirklich stimmen, immer knapp links der Zielmitte auftreffen, da er ja von Anfang an in die falsche Richtung abgefälscht wird. Aber der direkt gezielte, ergo abgefälschte Pfeil trifft unweigerlich jedes Mal genau ins Schwarze. Ein Bogenschützengesetz, das keinen Sinn ergibt. Wie kommt das?
    Auf ähnliche Weise trifft ein Schriftsteller gelegentlich auf eine Geschichte, die von ihm und doch nicht von ihm ist. Dabei meine ich, wohlgemerkt, einen Geschichten erzähler, keinen dieser Schlaumeier, die Gesellschaft und Kultur analysieren, sondern das unwissende und lernbegierige Wesen, das von magischen Geschichten träumt. Ein solches Wesen weiß sehr wenig: Wie man Schnürsenkel bindet, wann man beim Bäcker ein Brot kauft und wann genau eine Erzählung sticht, die ihm und nur ihm gehört. Wie man einen Präser entrollt, wo man Vorsicht, Limbotänzer in die Kabinentür ritzt, wie man der Lehrerin sagt, was sie hören will, und den rohen, kupfrigen Geruch eines Szenarios, über das man Autorität ausübt, statt ihr unterworfen zu sein. Und doch ist die Erzählung manchmal schon maßgebend ausgeschlachtet, öffentlich vorhanden und von jemand anders strahlend geplündert worden. Oder aber bedrohlich lebendig, selbstgenügsam, organisch, das ferne Ächzen des Wachsens von sich gebend, munter Chemikalien mit der Luft tauschend, aberimmer noch außerhalb des Wesens, das sie sich einverleiben und zu einem kleinen Wunder machen wollte. Wie kommt das?
    Die Erklärung für Letzteres übersteigt den Horizont aller, die jetzt in DeHaven Steelritters furchteinflößendem Auto sitzen, außer man kauft Tom Sternberg die Post-Murphy-Maxime ab, dass das Leben einen erst wie den letzten Dreck behandelt, dann auf dem Kehrblech landen lässt, und schließlich hat man die Zeche zu zahlen, inklusive Trinkgeld und Mehrwertsteuer von Massachusetts.
    Die Erklärung für Ersteres liegt so klar zutage wie die Nase, an der wir vorbeischauen: Sie liegt in dem, was mit dem gut gezielten Pfeil nach dem Loslassen geschieht; was während der Reise zum wartenden Ziel geschieht.
    Dinge am Straßenrand verstümmeln und rekonstruieren den Schatten des Autos. C.   I. Airport bleibt hinter ihnen zurück, ist im Südosten aber noch deutlich zu sehen, falls jemand Lust auf einen Blick zurück haben sollte. Die Lichtrondelle vom Tower leuchten mit der schwachen Blässe, die die Sonne Kunstlichtern verleiht. Sie kommen an plattgefahrenen Tieren vorbei, dem Schild eines Zuchthauses, das Anhaltern das Anhalten untersagt, nicht ausgeschilderten Schotterstraßen, einem einzelnen Briefkasten und einem noch

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