Alles ist grün
Hinterräder des Wagens drehen durch, kreischen und versinken tiefer im Schlamm. Das Plagïeder des Wagens hat das Gefälle geändert.
Warum es schlecht ist, Schönheit als Treibstoff zu nehmen; warum es unbeholfen ist: Es ist überflüssig: Uns schmerzt ja schon zu begehren, was wir fürchten.
Das kommt Mark beunruhigend bekannt vor: Es ist eine nahtlose Welle muskulöser angelsächsischer Ideen, es schmeckt nach Dr. C— Ambrose. Dem Mark sichtlich nicht mehr traut.
Dann wird Magda Mark Beispiele nennen. Sternberg ist offensichtlich ausgeprägt klaustrophob – Klaustrophobie sieht sie einem Passagier immer an –, warum sitzt er also immer noch eingesperrt im Auto mit den beschlagenen Scheiben und isst? J. D. Steelritter wünscht sich mehr als alles andere in der Welt, glückifiziert zu werden, Frieden zu finden; warum verbringt er also, obwohl er genug Rosen verzehrt, um eine Tidewater-Quelle zu färben, sein ganzes Leben mit Sorgen, Plänen, Zugeständnissen, Debatten, Zureden, Interpretieren und Manipulieren einer gesichtslosen Menge zu rückständigen Vorstellungen dessen, was sie will? Warum versucht er, eine Vereinigung zustande zu bringen, die genau das Gezeter zum Schweigen bringen wird, dessen Surren in seinem Kopf dieses Kopfes Leben und Brot ist?
Und Marks Braut. D. L. wollte auf wundersame Weise schwanger sein, damit Mark sie lieben und ihrer Tugend Ehreerweisen würde; warum hat sie ihn dann nicht verführt, als sie empfänglich war, statt eine spröde und offenkundige Lüge zu konstruieren, deren Lebensdauer bei allerhöchstens drei Jahreszeiten liegt?
Der Regen auf Mark ist stark, fühlt sich aber gut und vertraut an, so wie eingebildete Brisenfetzen im Schlafzimmer vor dem Einschlafen. Es ist gut, dass diese lebendige Frau, die nur als Objekt in Ambroses Erzählung über Leidenschaft ewiges Leben haben wird, das Geheimnis kennt, das D. L.s Mutter kennt, das Marks Eltern kennen, das Mark kennt, und nur D. L. glaubt noch immer, er kenne es nicht. Warum sie diesen Jungen, der geliebt wurde, über das kleine Wunder angelogen hat.
»Weil sie unfruchtbar ist; sie kann nicht produzieren«, sagt Magda. »Wenn du sie fragst, wird sie dir sagen, es habe mit einer Vergangenheit zu tun. Mit einem Vater. Sie wird Elektra ins Feld führen, Vietnam, eine Amputation, Laing, Freud. Aber in Wahrheit – tief drinnen, wenn’s hart auf hart kommt – will sie es so.«
Der Regen legt ihre Körper und das Skelett unter den Kleidern der Vogelscheuche frei. Magda hat wirklich kein hübsches Gesicht, abgesehen vom vollkommenen und unbewusst ausgedrückten Behagen, mit dem sie das Gefühl des Wassers auskostet, den Pilzgeruch des herabhängenden Ärmels, den milchigen Schlamm zwischen den Zehen.
»Woher weißt du das?«
»Weil es stimmt, Mark. Jeder, der es wirklich wissen will, weiß, was stimmt. Die meisten Leute wollen es nur nicht wissen. Es bedeutet, von tief drinnen zuzuhören. Die meisten Leute wollen das nur nicht. Aber besondere Menschen hören zu. Tief in dir kannst du hören, was stimmt. Hör zu. Du kannst es immer hören. Im Regen. Im statischen Rauschen zwischen den Sendern. Im magnetischen Wispern der Tonbänder, kurz bevor die Musik beginnt. Und im Geräusch der absoluten, vollkommenen Stille in den Ohren – diesem verlockenden Klingeln, wie winzige Glöckchen in großer Höhe. Ich glaube, ich kenne dich, und halte dich für etwas Besonderes. Die Chancen stehen gut, dass du ein geborener Zuhörer bist.«
Mark hört zu. Es stimmt: Er ist etwas Besonderes. Sie sind beide etwas Besonderes. (Ich aber bin nichts Besonderes und Sie wahrscheinlich auch nicht – Scheiße, wir können doch auch nicht alle was Besonderes sein; eine so große Menge hat hier doch gar nicht genug Platz. Muss man sich mit abfinden.) Also er ist was Besonderes, das stimmt. Magda hat recht. Er ist ein geborener Zuhörer.
Aber er kann nichts Ungewöhnliches hören, nichts, was besonders wahr klingen würde.
Magda lacht, als sie DeHaven zum jaulenden Wagen zurückstapfen sieht, er drückt sich die Perücke immer noch wie eine Kalotte auf den Schädel und geht einem großen alten Farmer in einer Regenjacke aus dem Armyshop voran. Der Farmer führt ein großes Pferd an einer schweren Kette.
»Ich fürchte, ich höre nichts, Ma’am. Ich höre den Regen, den Wagen, die Hupe, Hufgetrappel und Kettenklirren. Ich höre nichts, was sich besonders wahr anhören würde.«
»Wirst du aber. Versprech ich dir. Vertrau mir. Ich
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