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Alles ist grün

Alles ist grün

Titel: Alles ist grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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weiß es. Was wahr ist, ändert nie die Melodie. Er hat es mal gehört.«
    »Ambrose hat es mit Ihnen zusammen gehört?«
    »Und du liegst falsch mit deiner Annahme, warum er falschliegt. Du und Steelritter, ihr liegt beide falsch. Ich bin keine Postmodernistin und keine Künstlerin. Ich kann nicht lügen. Aber ich weiß immerhin, dass das Zentrum, das du suchst, nicht in Klassen, Kategorien oder auch nur in der Religion zu finden ist, vor der du zufällig grad das Knie beugst. Es ist hier.« Sie macht keine Geste. »Wo immer du bist. Es breitetsich um dich aus. Jede Minute. Das Geräusch, das du hörst, wenn es still ist und du nicht schlafen kannst. Oder wenn du wach bist und lauschst. Eine große Stille.« Ihre Augen verdrehen sich zu ihrem zurückweichenden Haaransatz, zum Gedächtnis. »Er hat diese Stille immer geliebt. Er ergab sich ihr einfach und lauschte.« Sie sieht Nechtr an. »Das war noch vor deiner Geburt. Bevor er etwas schrieb, das irgendwer außer ihm und mir ihm je abgekauft hätte.«
    »Bevor Mr. Steelritter ihn zu Fleisch, Öl und Metaverrat bekehrte?«
    Orange lächelnd streicht sie sich die angeklatschten Haare mit einem Jackenärmel glatt.
    »Was wahr ist, ändert sich nie, sagte er. Aus vorchristlichen Zeiten bis zu dieser Endzeit, die ihr Jugendlichen so verehrt. Ich glaubte an ihn als Künstler. Ich liebte ihn unendlich. Genug, um ihm heute noch zu vertrauen.
    Wenn du willst«, sagt sie, »kann dein ganzes Leben in der Erwachsenenwelt wie das Land hier sein. In der Mitte. Flach wie das Nichts. Ein großer Bogen. Sodass du bis an den Rand sehen kannst, wo sich alles krümmt. Sodass alles direkt vor deiner Nase ist. Deshalb werfe ich manchmal die Karten. Um mir meine Nase zu zeigen.«
    »Sie werfen Karten?«, fragt Mark und verzieht das rosa Gesicht zu einer Grimasse. »Meine Güte, D.   L. wirft sie.« Mark misstraut geworfenen Karten: all diese Arkana, schwammigen Bedeutungen, Wunscherfüllung als Prophetie. »Ich trau ihnen nicht«, gibt er zu. »Sie erzählen ihr bloß, was sie hören will. Sie sind so schwammig, dass man in ihnen lesen kann, was geschehen soll oder wovor man Angst hat.« Er grinst fast höhnisch, wenn es so etwas wie ein empfindungsloses Grinsen gibt. »Und jetzt nennen Sie und ihr Medium das Prophetie. Das ist doch einfach nur obszön.«
    Magda sieht ihn von ihrer Seite des Kreuzes mit den gebrochenen Armen in der Militärjacke geradeheraus an. Der Regen um sie her lässt etwas nach. Das Zentrum des plötzlichen Sturms ist nach Osten weitergezogen, scheint kühl zu stolzieren, wie auf Zehenspitzen.
    »Deine Geliebte wirft keine Karten«, lacht Magda. »Sie hat sie immer bei sich, wahrscheinlich in Seide eingewickelt, wahrscheinlich sogar mit einem Souvenirkristall; und sie mischt sie, schließt die Augen und legt sie aus, voller Angst hinzuschauen, so wie Menschen, die sich etwas wünschen, Angst haben, dir ihren Wunsch zu verraten, weil sie fürchten, der Zauber sei zu zerbrechlich und lichtempfindlich.«
    (Wieder möchte ich betonen, dass dies eine Zusammenfassung ist und keiner Stimme entspricht, der ich Gerechtigkeit widerfahren lassen könnte.)
    »Sie versucht, sie zu benutzen «, fährt Magda (sinngemäß) fort. »Sie belehnt sie mit der Kraft, das zu verändern, was sie nur offenbaren können. Sie sucht Schutz, eine Struktur. Ein Kartenhaus mit winzigen Möbeln. Nicht den großen blinden Bogen, den man erhält, wenn man wirft.« Sie macht eine Werfgeste, die überraschend geschickt und leicht ist. »Nicht einen Spiegel, der einem nur die eigene Nase zeigt.« Sie sieht Mark an. »Wann hast du das letzte Mal deine Nase gesehen?«
VORDERGRUND , DER STÖRT , ABER EIGENTLICH ZU KLEIN IST , UM AUCH NUR GESEHEN ZU WERDEN : AUSSAGEN ÜBER VERLIEBTE
    Vielleicht weil sie nie, kein einziges Mal, mehr als das war, was andere sehen konnten, hat Magda Ambrose-Gatz riesige ungenutzte Ressourcen an Tugend, Klugheit und umfassender Traute. D.   L. liest gemalte Elkesaitenkarten, kennt ihr eigenes steigendes Zeichen und konsultiert Medien. Magda, die so oftgesehen wird, dass ihr Gesicht kürbisfarben ist, wird nie ersucht, andere zu sehen oder aus tiefstem Herzen zu sprechen. Also hört sie zu. Und sieht hinein. Nie ersucht zu sprechen, kann sie tatsächlich ihre eigene Zunge lieben, so wie jene, die zur Unterwerfung geboren werden, ihre Haut, Ohren, Augen lieben können. Sie kann die Haare auf Ihrem Kopf zählen und die Schreie meiner absterbenden Zellen hören. Sie kann sehen.

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