Alles ist grün
glauben wird, heilen und schauspielern zu wollen, faktisch aber weder heilen noch schauspielern, sondern sein Erwachsenenleben lang in dem Haus herumpütschern wird, das seine Eltern bei ihrem Ableben hinterlassen, und allgemein zu einem dieser Back-Bay-Nachbarn wird, mit denen man sich lieber nicht anlegt.
Marks Zeitfeld ist schwerer zu überschauen; im Grunde ist er noch ein Kind, und seine Zukunft ist nichts, was sich schon nicht mehr ändern kann. Er glaubt, er unterscheide sich auf schlichte und radikale Weise. Er hofft auf Genialität und befürchtet Wahnsinn. Magda weiß, dass es weder noch ist. Sie weiß, dass Mark in Wahrheit einfach nur ein radikal schlichter Mensch ist, von rasender Nichtkomplexität, einer der sehr wenigen Männer, die sie je gelesen hat, die sich mit weniger als drei Adjektiven erschöpfend beschreiben lassen. Sie prognostiziert, dass er in der Wohltätigkeitsphase, im Anschlussan eine narbenübersäte Scheidung, deretwegen er gern deprimiert wäre, ein Waschmittelvermögen an den Wohltätigkeitsverband der Unierten Erlösung verschenken wird. Dass er unablässig reisen wird – nicht wie sein Vater, J. D. oder Ambrose, die sich ausschließlich von ihren Rückspiegeln leiten ließen, sondern mit der zukunftsorientierten Einfalt einer Generation, für die alles Dahinterliegende dort verschmutzt liegt, besudelt, verbraucht, im Osten.
Aber da J. D. Steelritter zu jenem Typ der Parusie gehört, deren Wiederkehr absolut nichts dem Zufall überlässt, kann sich das blutige, abgewürgte Feld der Vereinigung in den nächsten fünf Tagen nicht ändern. Und Magda sieht, dass Mark, der seinen komplizierten Bogen gegen einen klobigen Schließfachschlüssel eingetauscht hat, in dieser Zeit die Juxhaustüren den verbrabbelten Lustbarkeiten verschließen, sich auf den Hosenboden setzen und wirklich und wahrhaftig eine Erzählung schreiben wird – obwohl er glauben wird, sie sei gar nicht von ihm. Er wird den Text im Grunde für einen verschnittenen Abklatsch der gerade im Radio gehörten »Volksrevier«-Folge sowie der ganzen langen, langsamen und stockenden Anreise halten. Es wird eine Art Plagiat sein, eine kleine widerrechtliche Aneignung; und Mark wird sich sichtlich schämen, dass die Nechtr-Erzählung, die Professor Ambrose als seine beste absegnet und mit der er vielleicht Empfehlungsschreiben begründen wird, keine anerkannt klassifizierbare Fiktion, sondern nur eine verquere, blinde Neuanordnung dessen sein wird, was die ganze Zeit hinter den sich bewegenden Scheiben klar zutage lag. Dass ihr Anspruch, eine Lüge zu sein, selbst gelogen sein wird.
Die Erzählung von Mark Nechtr, die nicht Mark Nechtrs ist, handelt von einem jungen Bogenschützen namens Dave und seiner Lebensgefährtin namens L—. Dave, der längst nicht so gesund ist wie Mark, glaubt, die einzigen Dinge, dieseinem Leben Sinn und Ziel gäben, seien sein Bogenschießen und seine Geliebte L—, die weit attraktiver und sympathischer als D. L. ist, mit Wangenknochen bis dorthinaus und einem Lebenshunger, den Dave nur dank ihr teilen kann. L— ist so ziemlich ein Sinnbild von Daves Generation, benachteiligt, ziellos und leicht durchgeknallt, und ihre Launen sind so wechselhaft wie der Mond, von dem sie besessen ist. Dave ist Zeuge all ihrer Fehler, wenn auch nur einiger eigener, aber er liebt L— trotzdem. Es wird angedeutet, dass er von ihr abhängig ist, ihre Unterstützung braucht; sie steht bei Turnieren in den still werdenden Tribünenreihen, wenn er im rechten Winkel zu den Zielscheiben dasteht und mit seinem komplexen Fiberglasbogen und Dexter-Aluminum-Pfeilen zum Wettkampf antritt. Dave ist ein zuverlässiger junger Bogenschütze, aber beileibe nicht der beste, nicht mal in seiner Altersklasse, und am Anfang des Textes fühlt er sich nur dann als wahrer, geborener Bogenschütze, wenn L— auf der Tribüne steht und zusieht, wie er dasteht und schießt.
Aber als Liebende kämpfen sie. L— ist gehemmt, nervenschwach, unsicher, launisch, abgelenkt. Dave ist introvertiert, hört nur auf sich und ist ungefähr so ausdrucksstark wie Schmelzkäse. Wenn die heißesten und dunkelsten von L—s Launen mit seiner kalten, weißen Ruhe kollidieren, dann kriegen sie sich dermaßen in die Haare, dass beide nicht wiederzuerkennen sind. Bevor sich David in L— verliebte, hatte er einem Mädchen gegenüber nie auch nur die Stimme erhoben, und er hasst es, dass seine Hände (die er sehr schätzt) bei Streitigkeiten zu
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