Alles kam ganz anders
hatten, und die Hauptperson des Hauses uns wild schwanzwedelnd entgegenrannte.
„Der ist ja süß!“ lächelte Simone. „Aus seiner Rasse werde ich allerdings nicht schlau, aber das spielt ja keine Rolle.“
„Bisken ist ein Fehltritt“, erklärte ich. „Seine Mutter ist ein reinrassiger Lakelandterrier, aber sie hat sich auf ein unerlaubtes Abenteuer eingelassen, wie du siehst!“
„Unerlaubte Abenteuer sollen ja hin und wieder vorkommen“, sagte Simone mit einem kleinen Lächeln. „In dem Punkt habe ich gewisse Erfahrungen!“
Ich wußte keine Antwort darauf, aber das war auch nicht nötig, denn jetzt ging die Tür auf, und Mama kam uns entgegen.
Titine wurde aus der Sportkarre geholt. Da stand sie, guckte Mama an, und plötzlich reckte sie ihre Armchen hoch.
„Titine will Küßchen geben!“
Mama nahm sie auf den Arm, und die Kleine schmiegte sich an sie und gab ihr ein kleines feuchtes Küßchen auf die Wange.
„Nein, so was!“ rief Simone. „So habe ich Titine nie gesehen!“
„Siehst du, Kinder haben Instinkt“, nickte ich. „Alle kleinen Kinder rennen zu meiner Mutter und fühlen sich bei ihr geborgen.“
„Das kann ich gut verstehen“, sagte Simone leise. Ihre Augen ruhten auf dem Kind in Mamas Armen. Sie sagte nichts weiter, aber ihr Gesicht hatte einen glücklichen Ausdruck.
Jetzt erschien Grand-mère und reichte Simone beide Hände.
„Wie nett, Sie wiederzusehen, Mademoiselle Simone, Sie, mein Retter in der Not! Erzählte ich dir, ma petite (diesmal war es Mama), daß Mademoiselle Simone mir nicht nur half, in Hannover zurechtzukommen, sie ging auch mit in das ostasiatische Geschäft und dolmetschte! Eine vorzügliche Dolmetscherin war sie!“ Simone lächelte, ein unergründliches kleines Lächeln.
„Das hätte auch mein Beruf werden sollen“, sagte sie.
„Hast du ihn denn aufgegeben?“ fragte ich.
„Ja, jedenfalls vorläufig. Es ist eine lange und kostspielige Ausbildung. Ich hatte die Wahnsinnsidee, daß ich Simultandolmetscherin werden wollte. Solche Dolmetscherinnen sind gefragt und werden hoch bezahlt. Dann wäre ich für mein ganzes Leben versorgt gewesen.“
„Aber dann kam also Titine“, nickte ich.
„Ja. Dann kam Titine.“
Es folgte eine kleine Pause, dann streichelte Grand-mère plötzlich Simones Wange.
„So, nun wollen wir aber frühstücken! Auf deutsch! Hier gibt es keinen Milchkaffee mit einem trockenen Hörnchen dazu. Wenn ich das meiner Familie vorsetzen würde, gäbe es Krach! Wo ist Asbjörn?“
„Hier!“
Papa kam gerade zur Tür herein, mit einem Korb voll Apfel in der Hand.
„Guck, all die Falläpfel habe ich gesammelt! Willkommen bei uns, Frau Simone, Ihren Familiennamen habe ich vergessen, das macht wohl nichts?“
„Nein, das macht nichts – und außerdem bin ich keine Frau oder Madame…“
„Wenn man ein Kind hat, hat man Anspruch auf die Anrede ,Frau’“, sagte Papa bestimmt. „Hallo, Kleines, du bist also Titine.“ Mit einem Griff nahm er die Kleine und setzte sie auf seine Schultern. Titine jauchzte vor Freude.
„Wo ist mein Bruderherz?“ fragte ich.
„Keine Ahnung“, antwortete die treusorgende Mutter. „Er erschien vorhin in der Küche und aß in Windeseile ein Honigbrot, teilte mir mit, daß er zu tun hatte, und verschwand.“
Endlich konnten wir zu Tisch gehen. Titine protestierte laut und vernehmlich, als sie von Papas Schultern runter mußte, beruhigte sich aber schnell, als sie auf Mamas Schoß landete.
„Ich bin anscheinend für heute abgeschrieben“, lächelte Simone. „Wenn es so weitergeht, werde ich allmählich eifersüchtig!“
„Meine Mutter ist eine Kindernärrin und mein Vater ein Tiernarr“, erklärte ich. „Damit mußt du dich abfinden!“
„Und unsere Grand-mère ist eine Küchennärrin“, ergänzte Papa. „Meine Frau ist aus der Küche vertrieben, seit vierzehn Tagen führt Grand-mère die Alleinherrschaft in der Küche. Und wir nehmen katastrophal zu, wir müssen nachher alle eine Schlankheitskur machen!“
„Haben Sie immer so gern gekocht, Madame?“ fragte Simone.
„Eigentlich fing es erst an, als ich heiratete“, sagte Grand-mère. „Ich wollte ja, daß mein Mann einsehen sollte, was für eine tüchtige Frau er heimgeführt hatte, und außerdem hatte meine Mutter mir klargemacht, daß der Weg zum Herzen des Mannes durch den Magen geht!“
„Sie sagten doch, Sie heirateten schon mit achtzehn“, sagte Simone.
„Also kochen Sie jetzt seit… seit dreiundsechzig
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