Alles kam ganz anders
Grand-mère von Ingos Reiseplänen, Papa und ich unterhielten uns über die Tatsache, daß ich in diesen Monaten nichts, aber wirklich gar nichts haben würde, was mich von der Schularbeit ablenken könnte, und Marcus fragte Ingo nach Cora und erzählte von Biskens vielen Klugheitsbeweisen und Erlebnissen.
Wer vollkommen uninteressiert war, war Kater Anton. Er lag friedlich schnurrend mit halboffenen Augen in der Sofaecke.
Allmählich wurde es Zeit, den Tisch abzuräumen; Grand-mère erhob sich und verschwand zielbewußt in der Küche. Ich habe nie einen so kochfreudigen Menschen getroffen wie meine Urgroßmutter! Und jetzt sah ich ihr an, daß sie irgendeine besondere Überraschung für den Abend plante.
Dann klingelte das Telefon, und Papa ging ran. „Ach, guten Tag, Herr Feldmann… nein gar nicht, Sie stören überhaupt nicht…“
Während Papa sprach, schaltete er den kleinen Telefonlautsprecher an. Es ist so ein kleines batteriebetriebenes Etwas, das man mit einem Saugnapf ans Telefon klebt. Nachdem Papa sich einmal katastrophal verhört hatte – er hatte den Auftrag bekommen, in Mailand zu filmen, und erzählte uns freudig erregt, daß er nach Thailand sollte – also, danach schaffte er sich den kleinen Lautsprecher an, und Mama und ich hatten den Auftrag, seine Gespräche mit Feldmann, seinem Brötchengeber, mitzuhören.
Also horchten wir.
„Ja, passen Sie mal auf, Herr Grather. Ich habe einen großen und eigentlich sehr schmeichelhaften Auftrag für Sie, vorausgesetzt, daß Sie willens sind, Ihre Familie für zwei bis drei Monate zu verlassen!“
„Ich werde meine Frau fragen, ob sie mich so lange entbehren kann“, lächelte Papa. „Schießen Sie los, Herr Feldmann, ich bin neugierig!“
„Dazu haben Sie allen Grund! Also, ich bekomme soeben einen Brief aus der Schweiz, von einem Archäologen, der Ihren Film von den Ausgrabungen in Kreta gesehen hat. Er ist hell begeistert davon, was ich eigentlich gut verstehen kann, und jetzt fragt er, ob es möglich wäre, diesen Kameramann für eine Expedition nach Yucatan zu engagieren!“
„Was!“ schrien Mama, Ingo, Marcus und ich gleichzeitig.
„Würden Sie das wollen, Herr Grather?“
„Es kommt ja ein bißchen plötzlich“, meinte Papa. „Aber natürlich würde es mich sehr interessieren.“
„Das freut mich. Nun ist es ja ein bißchen unpraktisch, daß der Leiter der Expedition ausgerechnet in der Schweiz sitzt, aber er hat einen sehr tüchtigen jungen Assistenten, mit dem Sie alles Notwendige besprechen könnten. Er befindet sich in Lübeck…“
„Sie irren sich, Herr Feldmann“, sagte Papa. „Er befindet sich in einem Sessel, drei Meter von mir entfernt. Sie sprechen doch von dem jungen Archäologen Ingo Moorhof?“
„Ja. sagen Sie, haben Sie schon… ich meine, wie in aller Welt kommt es, daß er sich bei Ihnen in Rosenbüttel befindet?“
„Eigentlich nicht bei mir, sondern bei meiner Tochter“, klärte Papa Herrn Feldmann auf. „Ingo Moorhof ist nämlich mein zukünftiger Schwiegersohn.“
„Was? Ist die kleine Elaine schon so groß? Sie war doch so ein niedliches kleines Ding, ein reizendes Kind…“
In dem Augenblick schaltete Papa den Lautsprecher aus!
Eine neue Freundin
Es fehlte uns an diesem Wochenende nicht an Gesprächsthemen! Papa und Ingo saßen über Landkarten gebeugt, Ingo erzählte, was er durch Vorträge und Bücher von der Mayakultur wußte - und beide freuten sich anscheinend sehr darüber, daß sie gemeinsam diese interessante Expedition mitmachen würden.
„Daß du nur gut auf Ingo aufpaßt, Papa!“ ermahnte ich.
„Ingo, paß gut auf Asbjörn auf!“ bat Mama. „Ich freue mich natürlich für euch, aber es ist doch schrecklich, drei ganze Monate den Ehemann entbehren zu müssen!“
„Was soll ich denn sagen?“ fragte ich. „Du entbehrst nur einen einzigen Mann, und ich entbehre sowohl meinen lieben Papa als auch meinen herzallerliebsten Auserkorenen!“
„Und wie soll es uns nun ergehen, ohne einen Mann im Haus?“ sagte Mama bekümmert.
Da erhob mein Bruder seine Stimme.
„Du hast doch mich, Mama! Ich bin zwar klein, aber ich bin doch schon fast ein Mann!“
„Das bist du, Marcus!“ stimmte Mama zu und legte liebevoll den Arm um den halben Mann. „Und ich werde öfter deine Hilfe brauchen, da kannst du sicher sein!“
„Ich kann Nägel einschlagen!“ verkündete Marcus. „Und lockere Schrauben zuziehen, und Pflöcke für den Gemüsebeetzaun einschlagen!“
Marcus
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