Alles kam ganz anders
bist?“
„Ich denke an dein überzeugendes Argument, als wir davon sprachen, daß ich das Abitur machen sollte. Ich weiß genau, was du sagtest: Besser etwas zu haben, was man nicht braucht, als etwas zu brauchen, was man nicht hat. Jetzt werde ich das Abitur brauchen – und wie! Im Grunde bist du ein Goldstück, Paps!“
„Das weiß ich seit zwanzig Jahren“, kam es leise von Mama.
„Eigentlich…“, sagte ich langsam und nachdenklich, „eigentlich ist es sehr schön, einen festen Zukunftsplan zu haben. Ein klares Ziel, wofür man arbeiten kann. Wißt ihr, ich denke so oft an Simone. Sie hat ja ihre ganze Zukunft verbaut – ich ahne allerdings nicht, was für Pläne sie ursprünglich hatte, aber jedenfalls ist es mir klar, daß die kleine Titine alles über den Haufen geworfen hat.“
„Ich bin sehr gespannt auf Simone“, sagte Mama. „Grand-mère hat Menschenkenntnis und einen sicheren Instinkt, und wenn sie sich für einen Menschen sozusagen auf Anhieb begeistert, dann ist es gewöhnlich ein guter Mensch!“
„Unbedingt!“ stimmte ich zu. „Denk nur daran, wie sie sich gleich mit Ingo angefreundet hat!“
„Nun ja“, meinte Mama. „Man braucht kein begnadeter Menschenkenner zu sein, um festzustellen, daß dein Ingo ein prima Kerl ist!“
„O Mama, das werde ich Ingo wörtlich weitersagen! Weißt du noch, den Tag, als wir ihn kennenlernten – und die nächsten Wochen – ach, wie war alles schön! Und jetzt ist es genau ein Jahr her…“
Hier wurde ich von Bisken unterbrochen. Er sprang auf meinen Schoß und machte einen Vorstoß, um meine Nasenspitze mit seiner Zunge zu erreichen.
„Ja, ja, Bisken, du gehörst auch dazu!“ sagte ich und kraulte ihn hinter dem Ohr. „Du und Ingo, ihr kamt gleichzeitig in mein Leben! Mein kleiner Hund und meine große Liebe!“
Nun erschien Grand-mère mit den leuchtenden Augen, die immer verraten, daß sie dabei ist, irgendein kulinarisches Meisterwerk zu planen.
„Ma petite“ (diesmal war ich gemeint), „Simone ist ja Halbfranzösin – ob sie nicht gern französisch ißt?“
„Bestimmt, Grand-mère! Was hast du vor?“
„Ich dachte an Weinbergschnecken Bourguignonne, und dann Hammelkoteletts Murillo – und als Nachtisch Mokka-Eis in Baisers.“
„Grand-mère“, mischte Mama sich ein. „Du hast mir Weinbergschnecken als Geburtstagsessen versprochen, warte doch die paar Tage damit! Und deine Hammelkoteletts – wie nanntest du sie – war es Goya oder El Greco – ach nein, Murillo – also, die werden bestimmt so himmlisch schmecken, daß wir es bedauern würden, wenn wir etwas von unserem Appetit durch eine Vorspeise verlieren würden!“
„Nun ja, wenn du meinst“, sagte Grand-mère zögernd. „Dann muß ich eben… ach ja, ma petite (diesmal war Mama die petite), wo hast du deine Pfeffermühle?“
„Ich besitze keine. Grand-mère“, sagte Mama schuldbewußt. „Ich kaufe fertig gemahlenen Pfeffer.“
„Und du willst meine Enkelin sein!“ seufzte Grand-mère und zog sich enttäuscht zurück in die Küche. Ich würde meine Hand ins Feuer legen, daß Mama zum Geburtstag eine Pfeffermühle als Extrageschenk bekommen würde!
Es war Dienstag, und ich war rechtzeitig an der Bushaltestelle. Als der Bus kam, winkten Simone und Titine schon vom Fenster, und sie waren die ersten, die ausstiegen.
„Willkommen, Simone! Willkommen, Titinchen!“ Ich mußte die Kleine schnell in die Arme nehmen und sie an mich drücken. „Gib mir deine Tasche, Simone, du hast genug mit deiner Tochter!“ Simone lächelte.
„Wie nett, daß Sie… daß du gleich du sagst, Elaine!“
„Oh, habe ich das getan? Entschuldigung, es kam mir wohl so ganz natürlich vor!“
„Großartig! Und warum sollten wir uns siezen, du bist doch erst siebzehn und ich achtzehn!“
„Aber du bist eine würdige Mutter!“ meinte ich.
„Würdig ist das richtige Wort! Ach, ich habe mich so schrecklich über eure Einladung gefreut, es ist für Titine und mich ein großes Ereignis! Nun bin ich so gespannt auf deine Eltern und dein Brüderchen und euer Haus!“
„Du vergißt das Wichtigste – meinen Hund! Er ist nämlich die Hauptperson des Hauses! Übrigens darfst du nicht ,euer’ Haus sagen, es gehört nämlich mir – ja, mir persönlich!“
Dann mußte ich natürlich erzählen, wie ich Hausbesitzerin geworden war, wie die gute Tante Elsbeth mir das Haus vermacht hatte.
Ich schaffte es gerade noch, meinen Bericht zu beenden, bis wir unser Gartentor erreicht
Weitere Kostenlose Bücher