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Alles kam ganz anders

Alles kam ganz anders

Titel: Alles kam ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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alles auf einmal, alles stürzte auf sie ein, Geldsorgen, eine neue und sehr anstrengende Arbeit – und dann das mit mir.“
    „Glaubst du nicht, daß jede Mutter verzweifelt gewesen wäre, wenn eine so junge Tochter ein Kind bekäme?“
    „O ja, das glaube ich. Weißt du, nachdem ich deine Mutter kennengelernt habe, frage ich mich, wie sie es hingenommen hätte, falls dir so was passierte.“
    „Es wird nicht passieren. Ich passe schon auf. Aber weißt du, ich bin ja verlobt, oder sagen wir, mein Ingo und ich sind fest entschlossen, zu heiraten, wenn wir auch keine Ringe tragen und keine Verlobungsanzeige in der Zeitung gehabt haben. Sollte es mir passieren, würde es bedeuten, daß ich gleich heiraten würde. Es wäre problematisch und unpraktisch, aber ein so großes Unglück wäre es nicht. Vielleicht hätten sich meine Eltern um das Kind gekümmert, damit ich meine Ausbildung beenden könnte und nicht meine ganze Zukunft verbaute.“ Simone nickte.
    „Das ist es gerade. Die Zukunft verbauen.“
    Sie schwieg. Ich wartete etwas, dann legte ich meine Hand auf die ihre.
    „Simone, weißt du was? Ich habe das Gefühl, daß ich in dir eine Freundin gefunden habe.“ Sie lächelte und sah mich an.
    „Denk dir, Elaine, genau dasselbe Gefühl habe ich. Ich… ich… ich mag dich so gern.“
    „Und ich dich. Wie schön, daß wir uns getroffen haben! Aber ich wollte dir noch etwas sagen. Du bist sehr allein, habe ich recht?“
    „Ja. Ich bin furchtbar allein.“
    „Und du hast niemanden, mit dem du so richtig sprechen kannst?“
    „Das stimmt.“
    „Ja. siehst du, deswegen wollte ich dir sagen: falls du einen Menschen brauchst, mit dem du dich richtig aussprechen kannst, dann bin ich für dich da. Du kennst mich kaum, aber ich gebe dir mein Ehrenwort, daß ich es keinem Menschen weitererzählen werde, falls du mir etwas anvertraust.“
    „Ich würde gar kein Ehrenwort verlangen. Wenn ich dir etwas erzähle, dürftest du es herzlich gern deinen Eltern weitererzählen. Es ist so merkwürdig hier bei euch. Nie in meinem Leben habe ich bei fremden Menschen so ein Gefühl gehabt – ein Gefühl der Geborgenheit! Ja, so ist es. Bei euch fühle ich mich geborgen. Ihr seid Menschen, die einem nur Gutes tun. Stimmt das vielleicht nicht?“
    „Doch, ich glaube schon. Meine Eltern sind beide so. Und etwas habe ich wohl von ihnen gelernt. Weißt du, Simone, wenn ich dir sage, daß ich dir jederzeit zuhören werde, wenn du mir etwas zu sagen hast, dann ist es – ja, es ist vor allem der Wunsch, dir zu helfen. Aber nun will ich auch ganz ehrlich sein und zugeben, daß ich neugierig bin. Ich denke immer über die merkwürdige Tatsache nach, daß du anscheinend nichts mehr mit Titines Vater zu tun hast, und dabei müßte er doch über ein so bezauberndes Kind voller Vaterstolz sein!“ Simone schwieg einen Augenblick.
    Dann sagte sie leise, aber deutlich: „Er weiß gar nicht, daß er ein Kind hat.“
    „Weiß es nicht…“ Ich glaube, mein Gesicht sah aus wie ein einziges Fragezeichen.
    „Nein. Er weiß es nicht. Gut, Elaine, ich nehme dein Angebot an. Ich habe nie meine ganze Geschichte erzählt, ich hatte keinen Menschen, dem ich sie anvertrauen wollte. Aber dir gegenüber wage ich es, und es wird mir guttun, endlich alles loszuwerden. Aber ich muß weit ausholen, Elaine, und du wirst viel Geduld brauchen.“
    „Ich habe sehr viel Geduld, Simone.“
    Simone nahm ihr Glas, trank einen Schluck Orangensaft, dann lehnte sie sich in ihrem Liegestuhl zurück und fing an zu sprechen. Sie blickte geradeaus, ins Leere.
    „Ich muß mit der Scheidung meiner Eltern anfangen. Ich war damals zwölf Jahre. Wir hatten immer in Frankreich gewohnt, in der Provence – ja, in Avignon, in der Heimatstadt deiner Grand-mère. Aber ich war jedes Jahr im Urlaub in Deutschland gewesen, und Mutti sprach immer deutsch mit mir. Mit anderen Worten, ich bin zweisprachig aufgewachsen.
    Dann kam also die Scheidung. Das war sehr, sehr schwer für Mutti. Mein Vater hatte sich in eine andere Frau, eine Französin, verliebt und wollte sie heiraten. Mutti und ich fuhren dann nach Deutschland. Anfangs wohnten wir bei einer Verwandten – ja, sie hat eine große Rolle in meinem Leben gespielt, von der muß ich mehr erzählen. Sie ist so um ein paar Ecken meine Tante, daß heißt – ja, was heißt es? Ich glaube, Großtante zweiten Grades. Die Cousine meiner verstorbenen Großmutter. Sie ist Hebamme im Ruhestand und wohnt in einem kleinen Dorf im

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