Alles kam ganz anders
Jahren!“
„Dreiundsechzigeinhalb“. schmunzelte Grand-mère. „Ich heiratete schon mit siebzehneinhalb!“
„So früh? War es damals üblich, so früh zu heiraten?“ Grand-mère hatte ein junges, verschmitztes Lächeln, als sie antwortete.
„Das eigentlich nicht. Aber mir blieb nichts anderes übrig!“
„Aber warum denn?“ fragte ich.
„Warum? Weil dein Großvater schon unterwegs war!“
„Mein Groß… der war ja dein Sohn, Grand-mère! Willst du damit sagen, daß du heiraten mußtest?“
„Ja. damals mußte man. Es war nicht so wie heute, wo kein Mensch etwas dazu sagt, daß eine unverheiratete Frau ein Kind bekommt.“
„Na“, sagte Simone langsam. „Daß kein Mensch etwas dazu sagt, das stimmt nun nicht so hundertprozentig!“
„Jedenfalls zu neunzig Prozent! In meiner Jugend wäre es ein Riesenskandal gewesen! Und als mein Bernardo geboren wurde, begann die ganze Nachbarschaft an den Fingern die Monate abzuzählen; da gab es aber etwas zu flüstern, als man nur bis sechs statt bis neun kam!“
„Ich bin sehr froh, daß du deinen Bernardo bekamst, Grand-mère“, sagte Mama. „Sonst wäre ich nicht auf der Welt gewesen.“
„Furchtbarer Gedanke!“ sagte Papa. „Liebe Grand-mère, ich danke dir von ganzem Herzen für deine Jugendsünde! Und ich erteile dir nicht nur Absolution, sondern auch meinen Segen!“
„Ich auch“, nickte Mama. „Aber es tut mir von Herzen leid, daß mein Vater so früh starb! Ich war vierzehn Tage alt, als er verunglückte“, erklärte sie Simone. „Er war Zirkusartist, Trapezkünstler, und er stürzte vierzehn Tage nach meiner Geburt ab!“
„Es war furchtbar“, erinnerte sich Grand-mère. „Und für deine arme kleine Mutter! Nun ja, das Leben geht weiter, und wir Menschen sind Gott sei Dank so geschaffen, daß wir das Schlimme hinter uns bringen können, eines Tages hat man das Bittere und Schmerzhafte überwunden und freut sich nur noch über all die schönen Erinnerungen.“
Ich warf einen schnellen Blick auf Simone. Ihre Augen waren auf Grand-mère gerichtet, sie horchte aufmerksam auf ihre Worte.
Vielleicht war es Grand-mères Offenheit und Unbefangenheit, die Simone nachher auch zum Erzählen brachten.
Das Frühstück zog sich in die Länge, weil wir es so gemütlich hatten – und weil es so gut schmeckte! Grand-mère hatte eine Omelette mit feinen Kräutern gemacht, nachher gab es Toast mit Mamas feinster Erdbeermarmelade und Brombeergelee. Titine saß quietschvergnügt auf Mamas Schoß und ließ sich füttern. Vielleicht hatte sie die feine französische Zunge geerbt, denn sie streckte immer wieder die Arme nach der Omeletteplatte aus!
Mitten in der Mahlzeit kam Marcus angerast, mit einem kleinen zerzausten Kätzchen in den Armen. Er hatte keine Zeit, Simone zu begrüßen, sein Redestrom lief wie ein Wasserfall.
„Guck. Papa“. Marcus wußte, daß Papa zuständig für Tiere war, „denk dir, die Leute, die da neben Opa Geest wohnten, die Sommergäste, weißt du, sie sind weggefahren, und sie haben ihre Katze hiergelassen, und sie hat zwei Tage miaut und ging immer ums Haus rum. und niemand ließ sie rein, und sie hat so einen Hunger – sie bekam Milch bei Opa Geest, aber sie muß auch Essen haben, und ein Körbchen und ein Spielzeug, und sie heißt Felix, so habe ich sie getauft, und Mama, wo sind die Katzenfutterdosen?“
Ich half Marcus, eine Dose zu öffnen, und Marcus betrachtete glücklich seinen Felix, der (es zeigte sich, daß es ein Kater war) sich gierig auf das Futter stürzte.
„So“, sagte Mama still resigniert. „Das wäre also unser drittes Haustier. Das Nächste wird wohl sein, daß er eine Ziege hier anschleppt!“
„Behalten Sie denn die Katze?“ fragte Simone.
„Was bleibt uns anderes übrig?“ lächelte Mama. „Mein Mann würde mir nie verzeihen, wenn ich so ein kleines verwahrlostes Tier an die Luft setzte! Und Marcus erst recht nicht!“
„Ich auch nicht!“ sagte ich. „Wenn wir Futter für zwei Tiere haben, werden wir es wohl auch schaffen, für ein drittes zu sorgen!“
Simone sah uns an, ihre Augen waren der Reihe nach auf uns alle gerichtet.
„Was seid ihr doch für eine liebe Familie!“ sagte sie leise. „Lieb zu mir, zu Titine und zu der armen kleinen Katze. Ich glaube tatsächlich, daß… daß es euch einfach Spaß macht, lieb zu sein!“
„Da haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen, Simone“, nickte Papa „So ist meine Frau nämlich. Ihr hat es immer Spaß gemacht, lieb zu
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