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Alles kam ganz anders

Alles kam ganz anders

Titel: Alles kam ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Herr Doktor, tausend Dank, wenn es bloß schon soweit wäre! Wenn ich nur an der Hochschule aufgenommen werde!“
    „Und wenn Sie bloß Ihr Abitur… ach ja, was sagten Sie vorhin? Sie haben Schwierigkeiten mit Mathematik?“
    „Und wie! Und mein Vater, der immer mein Trost ist, sitzt ausgerechnet in Yucatan!“
    „Aber ich sitze hier. Und in der Schule war Mathematik meine Stärke! Wissen Sie was, Elaine? Ich helfe meiner Antje jeden Abend eine Stunde mit den Mathematikaufgaben. Schließen Sie sich doch an! Jedenfalls jetzt in den Herbstferien. Ist das nicht eine gute Idee?“
    „Oh, und was für eine! Meinen Sie das wirklich im Ernst?“
    „Unbedingt. Kommen Sie heute abend gegen achtzehn Uhr. Abgemacht?“
    „Herr Doktor, ich könnte Sie umarmen!“
    „Darauf werden wir zurückkommen, wenn Ihre Kleidung von Hundeblut gesäubert ist. Nun gehen Sie los, Ihre Mutter wartet schon allzu lange.“
    „Meine Mutter wird Verständnis haben! Also, dann bis heute abend – und tausend, tausend Dank!“
    Ich schwebte wie auf Wolken die Treppe hinunter und dann zum Parkplatz, in meinen blutverschmierten Jeans!
    Beim Mittagstisch hatte ich so viel zu erzählen, daß ich kaum zum Essen kam. Daß ich vielleicht in sechs Jahren Assistentin bei Dr. Sager werden sollte, daß ich meine Feuerprobe gut bestanden hatte, daß ich gelobt worden war und als Krönung: Dr. Sager wollte mir bei der Mathematik helfen!
    „Das ist ja großartig!“ sagte Mama. „Nach deinem Aussehen heute mittag zu beurteilen, hast du ja auch einen großen Einsatz gemacht. Ein Glück, daß du Blut sehen kannst!“
    „Ja, und Kot und Urin! Wenn ich das nicht könnte, hätte ich wohl lieber bei meiner Töpferei bleiben sollen. Ach, ich bin ja so froh! Wenn mir endlich das mathematische Licht aufgehen würde, dann… ja, dann schaffe ich es! Dann mache ich ein gutes Abitur! Weißt du, Mama, ich bin so aufgekratzt, ich bin so arbeitsfreudig – ich habe nie geahnt, daß konzentrierte Arbeit einen Menschen direkt glücklich machen kann!“
    „Das hätte ich dir erzählen können. Weil meine Arbeit, allerdings auf einem bescheideneren Gebiet, mich glücklich macht. Ich werde heute nachmittag an der Nähmaschine glücklich werden! Frau Geest wartet sehnlichst auf das Kleid, das sie zu Opas fünfundsiebzigstem Geburtstag tragen wird.“
    „Mama“, sagte ich. „Mußt du wirklich so viel arbeiten? Du hast den ganzen Haushalt, du hast nicht einmal eine Putzfrau – und dann nähst du obendrein für andere Leute! Sag ehrlich, Mamachen, arbeitest du so viel meinetwegen? Wegen meiner kostspieligen Ausbildung?“
    Mama strich mir schnell über die Wange.
    „Und wenn es so wäre?“ sagte sie mit ihrer guten, leisen Stimme. „Ist das vielleicht kein Glück? Etwas für sein Kind zu tun?“

Und dann kam es ganz anders
     
     
    Dr. Sager war phantastisch.
    Er hatte eine Fähigkeit zu erklären, die Probleme zu vereinfachen, uns zum logischen Denken zu bringen. Kein Wunder, daß Antje immer beneidenswert gute Noten in Mathematik hatte.
    Dabei hatte ich den Eindruck, daß es ihm selbst Spaß machte, uns Unterricht zu geben. Er lächelte strahlend und zufrieden, wenn ich etwas kapiert hatte, er machte mir Mut, und immer wiederholte er: „Mathematik ist nichts anderes als logisches Denken, vergiß das nicht, Elaine!“
    Ja, er hatte sich so oft mit der Anrede versprochen, daß ich ihn bat, mich endgültig zu duzen. Antjes Mutter hatte es gleich ganz selbstverständlich getan.
    Am ersten Abend hatte ich gleich nach unserem Patienten Pussel gefragt.
    „Er schafft es!“ sagte Dr. Sager glücklich. „Ich glaube wirklich, daß er es schafft! Aber ich habe ein Wort mit dem Schäferhundbesitzer zu reden, und das wird kein freundliches Wort sein. Erstens hat er aus seinem Hund ein bissiges Tier gemacht, und dann läßt er ihn frei laufen, obwohl er weiß, daß er gefährlich für alle kleinen Hunde ist.“
    „Aber was soll man in einem solchen Fall machen?“ fragte ich. „Wenn mein kleiner Hund von einem bissigen Schäferhund angegriffen wird, was mache ich dann?“
    „Versuchen, den angreifenden Hund an den Hinterbeinen zu packen, die Beine spreizen und den ganzen Hund seitlich werfen. Dann läßt er los. das garantiere ich dir.“
    „Klingt leicht“, sagte ich. „Aber ich habe nicht die Kraft, einen großen Hund zu werfen!“
    „Aber ihn an den Hinterbeinen zu packen, dazu hat jeder gesunde, erwachsene Mensch die Kraft. So, dann also zur Mathematik, Kinder. Was

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