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Alles kam ganz anders

Alles kam ganz anders

Titel: Alles kam ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Rechts ein kleiner Bruch, der wird bald ausgeheilt sein, aber links sieht es etwas komplizierter aus. Den Arm müssen wir schön zurechtzupfen, bevor wir ihn gipsen können.“
    Der Ausdruck „schön zurechtzupfen“ beruhigte mich! Dieser kleine Scherz überzeugte mich davon, daß meine geliebte Mama jedenfalls nicht in Lebensgefahr schwebte!
    „Herr Doktor, darf ich meine Mutter sehen? Kann ich einen Augenblick mit ihr sprechen? Sie beruhigen, denn sie macht sich bestimmt Sorgen um uns!“
    „Fünf Minuten dürfen Sie bei ihr bleiben. Der Chef kommt gerade, er macht sich für die Operation zurecht, und dann kümmert er sich um Ihre Mutter. Ja, sie kriegt eine kleine Narkose, bevor wir…“
    „…zupfen!“ ergänzte ich. Der Arzt lächelte.
    „Eben. Kommen Sie mit.“
    Eine Bahre auf Rädern, von einer Krankenschwester geschoben. Da lag meine Mama. Ich wagte nicht, sie anzufassen, ich küßte nur ihre Stirn.
    „Mamachen, Liebstes, hast du große Schmerzen?“
    „O nein, es geht, wenn ich ganz still liege. Ach, Elainchen, was bin ich für ein Trottel! Kind, ich mache mir Sorgen um euch – wo ist Marcus?“
    „Bei Frau Geest. Du brauchst dir gar keine Sorgen um uns zu machen, Mama. Ich bin doch da, und wir haben liebe Nachbarn, das weißt du.“
    „Elaine, immer die Sicherheitskette vorlegen! Nicht aufmachen ohne Kette. Geld ist in dem roten Kästchen links im Bücherschrank, hinter Grzimeks Tierleben, Zweiter Band. Und im Tiefkühlfach…“
    „Mamachen, ich komme schon zurecht, es ist alles nur halb so schlimm!“
    „Nein, doppelt so schlimm, ein doppelter Armbruch! Den rechten Bruch nannte der Arzt Radiusfraktur – ich werde ihn fragen, was das bedeutet –, und das nahm er anscheinend nicht so ernst. Aber links scheinen alle bösen Geister los zu sein.“
    „Dann muß ich wohl dein guter Geist sein, Mamachen“, sagte ich. „Sei nun ganz ruhig, ich werde alles zusammenraffen, was ich an Vernunft besitze, ich werde auf Marcus und das Haus und alles aufpassen!“
    „Und Elaine, um Gottes willen, schreib Papa kein Wort! Er kann ja doch nichts tun, und er soll nicht bei der Arbeit gestört werden. Versprichst du mir das?“
    „Ja, wenn du meinst. Ich verspreche es.“
    Jetzt kam ein älterer Arzt.
    „Na, Sie haben sich ja was geleistet“, waren seine Begrüßungsworte an Mama. „Nun, wir werden es schon hinkriegen. Sie sind wohl die Tochter? Künftig müssen Sie besser auf Ihre radfahrende Mutter aufpassen. So, nun an die Arbeit…“
    Eine Schwester fing schon an, die Bahre zur Tür zu rollen.
    „Wann darf ich meine Mutter wieder besuchen, Herr Dok… Herr Professor?“ änderte ich die Anrede sicherheitshalber.
    „Morgen zwischen vierzehn und fünfzehn Uhr. Haben wir Ihre Telefonnummer? Nun, das ist gut.“
    Ich schaffte es gerade noch, Mama einen Kuß zu geben, dann verschwanden Mama, die Bahre, die Krankenschwester und der Professor, die Tür wurde zugemacht, und ich konnte nichts anderes tun, als den Kloß im Hals herunterzuschlucken und mit dem nächsten Bus nach Hause fahren.
    Ich holte Marcus ab, er hatte bei der guten Familie Geest gegessen, und man hatte ihm sowenig wie möglich von Mamas Unfall erzählt. Er wußte nur, daß sie eben zum Arzt hatte fahren müssen, weil sie mit dem Rad gestürzt war.
    Nun brachte ich ihm bei, daß Mama wohl ein paar Tage wegbleiben würde, und er und ich müßten auf das Haus aufpassen und für uns selbst sorgen – „wie gut, daß wir zu zweit sind, Marcus!“ fügte ich hinzu.
    Dann wanderten wir nach Hause, wir beiden Verlassenen – wie Marcus sich fühlte, weiß ich nicht, ich kam mir aber sehr klein und häßlich vor!
    Ich versorgte die Tiere, ich machte uns ein paar Schnitten Brot zum Abendessen zurecht. Daß ich selbst kein Mittagessen gehabt hatte, störte mich nicht. Appetit war das, was ich am wenigsten hatte.
    Als Marcus ins Bett gekommen war, rief ich Jessica an. „Elainchen, das ist ja furchtbar!“ rief sie, als ich ihr von Mamas Malheur erzählt hatte. „Ein Armbruch ist ja an sich kein so großes Unglück, aber beide Arme! Ich glaube bestimmt, daß alles gutgeht, ich kenne den Professor dort, er ist ein fabelhafter Chirurg. Aber es wird eine schwere Zeit für dich werden! Weißt du, deine Mama wird wahrscheinlich bald entlassen werden, und dann ist sie ganz und gar auf dich angewiesen. Oh, wenn ich bloß nicht meine Praxis hätte, dann würde ich schnurstracks kommen und euch helfen. Halt, heute haben wir Mittwoch. Ich könnte mir

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