Alles Land - Roman
Unbill zu vermeiden, entwickelte Larsen ein System, während des Rastens immer zwei von ihnen zusammenzubinden, den Kopf des einen mit dem Schweif des anderen. So konnten sie sich bewegen, ohne größeren Schaden anzurichten.
Nachdem die Heusäcke aufgeladen waren, wurde zum Aufbruch getrommelt. Sie folgten dem Verlauf der Bucht ins Landesinnere. Wie klein ihr Tross aussah. Nachdem er eine Weile am Ende geritten war, bat Wegener darum, voranreiten zu dürfen, um nicht immerzu ihre armselige Karawane vor Augen zu haben.
Ihre Lagerstatt errichteten sie unter freiem Himmel. Während die anderen die Pferde versorgten, bereitete Vigfus ihr Nachtmahl. Er war ein leidlicher Koch, auch wenn es zu ihrem Umgangston gehörte, das Gegenteil zu behaupten. Abends gab es wechselnde Gerichte aus Erbsenmehl und Brot, morgens die immer gleiche Hafergrütze. Manchmal bildete Wegener sich ein, Koch würde neidisch zu den Heusäcken der Pferde hinüberschielen.
Larsens neue Bindetechnik brachte es mit sich, dass die Pferdepaare einander die ganze Nacht über umkreisten, ohne weit vom Fleck zu kommen. Den Menschen nicht
unähnlich, dachte Wegener. Als besonderer Übeltäter erwies sich Grauni, der jeden seiner Partner dazu brachte, mit ihm hinüber zu den Heusäcken zu tanzen. Dort angelangt, öffnete er die Säcke mit einem einzigen kräftigen Biss.
Drei Wochen brauchten sie für den Transport am Ufer der Dovebucht, dann war Kap Stop erreicht. Jeden Morgen beim Aufbruch sah Wegener sich noch einmal um, ob auch nichts zurückgeblieben war, und jeden Morgen saß nur Gloë noch auf dem Lagerplatz, als fiele ihm der Abschied von seiner neu gewonnenen Heimat schwer. Wie schnell er sein Herz verschenkte. Wegener pfiff den Hund herbei, man konnte sehen, wie Beständigkeit und Abenteuerlust in seinem kleinen schwarzen Körper rangen, dann machte er sich auf und lief bellend hinter ihnen her.
Auf halbem Wege hatten sie Pustervig passiert, im Vorbeireiten entdeckte Wegener die Reste seiner Hütte, zerfallen, es war nichts mehr zu erkennen als einige Bretter, Geröll, Wolkenschatten. Die verbogenen Stangen der Thermometerhütte ragten kahl in die Höhe wie Flaggenstäbe ohne Flaggen. Ein Bild des Jammers. Als hätte es das alles nicht gegeben. Wegener wandte sich ab und blieb an diesem Tag noch schweigsamer als sonst.
Kap Stop markierte das Ende der Dovebucht. Seit Tagen sahen sie bei Sonnenuntergang das Königin-Louise-Land in der Höhe vor sich liegen. Der Abend setzte dem Gebiet jenseits des Gletschers violette, rote und blaue Lichtpunkte auf, die unter einem rosenroten Himmel zu strahlen begannen, noch dazu wurde das ganze Spiel von der überfrorenen Jarnerbucht aufs Herrlichste zurückgeworfen. Es kam ihnen vor wie das Gelobte Land.
Bevor sie jedoch den Gletscher zum Aufstieg erreichten, war noch der Borgfjord zu queren. Um vom Land aufs Eis zu gelangen, mussten die Pferde die Gezeitenspalte und dann noch einen Wassergraben überwinden. In Letzteren tapste Kochs Schwarzer sogleich willig hinein und verschwand fast zur Gänze darin. Larsen hielt ihm den Kopf über Wasser, bis die anderen mit Seilen bei ihm waren und ihn zur Seite aufs Eis zogen. Auch der Rote ging hinein, fand aber Grund. Nachdem man ihn von seiner Last befreit hatte, ließ er sich widerstandslos heraufhieven.
Die Expedition bezog Quartier im Schatten des Gletschers. Die Abendgespräche kreisten um die Pferdegeschirre zum Ziehen der großen Schlitten hinauf aufs Inlandeis. Es war eine ganze Wissenschaft.
Die nächsten Tage gingen mit Erkundungsläufen dahin, um einen guten Einstieg in den Gletscher zu finden. Sie beschlugen ihre Schuhe mit Hufeisennägeln. Hin und wieder dröhnte minutenlanges Donnern durch die ansonsten vollkommen ruhige Luft, dann war irgendwo ein Eisstück abgegangen, oder einer der Riesen hatte sich im Wasser gedreht. Am Fuß der Steilwand konnten einige interessante Schmelzformen photographiert werden. Als sie endlich einen Aufweg fanden, zeigte sich, dass dieses Stück bereits durch eine mächtige Spalte vom Inlandeis getrennt war, und sie machten rasch wieder kehrt.
Auf dem Rückweg hatten sie ein wundersames Erlebnis : Sie kamen an einem Bären vorbei, der einen Seehund gefangen hatte. Die Blutspur zeigte, wo er ihn von seiner Jagdrinne an Land geschleppt hatte. Der Bär hatte sich bereits einen mächtigen Bauch gefressen und lag träge im
Schutze eines Felsens. Rechts von ihm saß ein Rabe, links ein weißer Fuchs, die sich
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