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Alles Land - Roman

Alles Land - Roman

Titel: Alles Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Lendle
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zum Aufbruch anzuspornen, im Wissen, dass sie die Unmöglichkeit der Weiterreise beim ersten Blick hinaus erkennen würden? Der Unwille zu einer weiteren Folge von Tagen, an denen sie dicht gedrängt nebeneinanderliegen würden, ohne zu wissen, wann diese erzwungene Nähe jemals ein Ende fand. Warum war Gloë von dieser Antipathie ausgenommen? Stundenlang lagen die beiden nebeneinander, und der Hund ließ es sich gefallen, dass Wegener ihm mit einer immer gleichen, traumverlorenen Bewegung über den Nacken strich.
    Man hätte nachdenken können, aber es fand sich kaum etwas, woran der Geist hängen zu bleiben gewillt war. Nur zwei Fragen waren es, die Wegeners Phantasie in diesen Stunden unablässig durchliefen, vor- und rückwärts: wie er sich die Wohnung mit Else einrichten würde und was für Essen sie darin zubereiten könnten. Das erste Thema stellte sich vorzugsweise nach, das zweite vor den Mahlzeiten ein. Es fehlte ihm der Mut, sonst hätte er leicht zwei Abhandlungen darüber schreiben können, gegen welche Die Entstehung der Kontinente eine Sextanerarbeit darstellte. Wie hatte er aufbrechen können, ohne Else vorher zu heiraten! Waren sie erst einmal in den Ehestand getreten, er würde nie wieder von ihrer Seite weichen.

    Es war doch ein rechtes Hundeleben, das sie führten. Das Wetter wollte sich nicht wenden. Tagsüber lagen sie ohne Unterbrechung im Schlafsack. Wegener erzählte von dem dänischen Gouverneur Grönlands, der vor zweihundert Jahren den Auftrag bekommen hatte, die Insel zu durchqueren. Er sollte prüfen, ob irgendwo noch Nachfahren der Norweger lebten. Und ob sich die Vermutung bestätigte, im Inland gebe es Oasen, wo der Föhn das Eis geschmolzen habe. Der Gouverneur hatte es nicht einmal auf den Rand des Inlandeises geschafft.
    Wegener öffnete den Zelteingang, um zu schauen, ob sich das Wetter gebessert hatte. Ein Blick hinaus nahm ihm diese Hoffnung. Auch von Oasen keine Spur.
     
    Sobald die Umstände es erlaubten, unternahmen sie neue Versuche zu reisen. Meistens aber war die Aufhellung nur vorübergehend, und der Vorstoß wurde bald wieder abgebrochen. Jeder Versuch, ihre Sachen im Freien zu trocknen, führte unweigerlich dazu, dass sie sich mit Treibschnee füllten. Die Schlafsäcke waren längst patschnass.
    Die Härte der Tage im Zelt und die Unmöglichkeit, etwas an den Umständen zu verändern, machten Wegener bisweilen gereizt, worunter hauptsächlich Koch zu leiden hatte. Es gab keinen äußeren Grund, vielleicht neidete Wegener ihm die innere Ruhe, vielleicht wagte er ihm gegenüber Ausfälle, die er sich den beiden anderen gegenüber nicht herausgenommen hätte. Er fühlte sich eingesperrt, nachts schlug er in der Enge seines Schlafsacks um sich, so dass er schließlich einen Platz am Zeltrand zugewiesen bekam. Selbst durch die Ritzen der Nähte drangen einzelne Flocken, klein und unbesiegbar wie Ameisen.

    Koch nahm Wegeners Äußerungen innerer Unzufriedenheit zumeist mit bewunderungswürdigem Gleichmut auf wie ein notwendiges Übel. Nur hin und wieder, wenn ihm doch einmal die Geduld riss, versetzte er Wegener einen scharfen Blick, der diesen für einige Zeit kurierte. Er musste einfach hoffen, dass die Besserung der Verhältnisse am Ende auch ihn wieder leidiger machen würde.
     
    Zur allgemeinen Erleichterung kamen sie zumindest aus der Windzone heraus, und der Schnee wurde lockerer. Ab und an packte Wegener die Instrumente aus, befreite sie vom Treibschnee und stellte seine Messungen an, in der Hoffnung, die Ergebnisse könnten sich später einmal als nützlich erweisen. Für eine Erkenntnis, die man sich hier draußen beim besten Willen nicht ausmalen konnte. Vor allem aber tat es gut, statt einer Pferdeleine zur Abwechslung mal ein Hypsometer, einen Sextanten oder das schöne Schwarzkugelthermometer in die Hand zu bekommen.
    Ihre Seehöhe betrug mittlerweile 2287 Meter über Null. Länge, Breite und Höhe, das waren die interessantesten Dinge, die es nun gab. Daneben nur das endlose Weiß und der mittlerweile fast durchgehend klare Himmel. Sehenswürdigkeiten wie Wolken oder eine Abweichung im Schnee schien die Natur sich hier draußen nicht leisten zu können.
    Larsen fand in seinem Gepäck ein kleines Spiegelchen, das gleich die Runde machte, einfach aus Freude über ein neues Gesicht. So begegnete man sich wieder, erstaunt über das Zusammentreffen. Am stärksten mitgenommen war Wegeners Nase, eine einzige große Frostwunde, von der Fetzen herunterhingen. Das

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