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Alles Land - Roman

Alles Land - Roman

Titel: Alles Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Lendle
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zurück zu Grauni gehen würden.

    Sie fanden ihn sterbend, das Maul geöffnet, die Augen nass, den Hals eigentümlich verdreht. Eine Meile vor dem Depot, das womöglich auch seine Rettung bedeutet hätte. Nach all der Mühe, die sie auf sich genommen hatten, um ihren Kameraden heil herüberzubringen.
    Das Brot rührte er nicht mehr an. Wegener musste die Pistole holen, um seinem Leid ein Ende zu setzen.
    Müde fiel Grauni in sich zusammen, es kam kaum Blut aus der Wunde, als wäre längst kein Leben mehr in ihm gewesen.
    Gloë umkreiste bellend das Schauspiel, auch er benommen von den Ereignissen, von den vielen Köstlichkeiten in seinem Leib und ein wenig wohl auch von der Aussicht auf eine neuerliche Leckerei aus dem vor seinen Augen verendenden Fleisch.

Über die Ursache der Zerrbilder bei Sonnenuntergängen
    Regenwetter und Nebel. Wie eintönig ihnen der Himmel oben auf dem Eis vorgekommen war, und wie sie sich jetzt zurück nach seiner Klarheit sehnten. Auch einem gesunden Pferd wäre es kaum möglich gewesen, die Strecke zum Depot zu bewältigen, so schlecht war das Eis. In einer Stunde bewältigten Wegener und Larsen am Tag nach Graunis Tod dreihundert Meter mit dem Schlitten. Sie konnten nur hoffen, dass Koch und Vigfus auf ihrem Vormarsch tatsächlich auf Menschen trafen.
    Steine, Geröll, Abbrüche, es war nichts als Arbeit. Solange jeder für sich schweigend am Schlitten zerrte, war es zu ertragen. Als dann Larsen herankam und sie sich eingestanden, wie mühsam es war, gaben sie auf. Wo blieben die anderen? Jetzt steckte alles im Nebel, es war aussichtslos, sie zu suchen.
    Am nächsten Morgen hatten Wegener und Larsen eben die Sachen gepackt, als sie in der Ferne die Vorhut zurückkommen sahen – ohne Begleitung. Gleich luden sie wieder ab, setzten Wasser auf und legten Koch und Vigfus ihre Schlafsäcke zurecht.
    Die beiden waren todmüde. Tatsächlich hatten sie es bis zum Laxefjord geschafft. An der Mündung Spuren von Eskimos, Zeltringe und andere Hinterlassenschaften, aber
keine lebende Seele. Sie hatten einen Brief an den Kolonievorstand von Pröven deponiert. Wollte Gott, dass er in den nächsten Tagen gefunden wurde.
    Sonst müssten sie also zu Fuß bis zur Kolonie laufen, was eine knappe Woche dauern würde, wenn es ihnen irgendwie gelang, die dazwischenliegenden Flüsse zu queren. Sie würden alles, was mitkommen sollte, selber tragen müssen, ohne die Hilfe des Schlittens, ohne Pferd. Koch und Vigfus waren noch nicht wieder marschfähig, also wurde erneut Zelt geschlagen. Während die beiden schliefen, suchte Larsen Brennmaterial, und Wegener saß auf einem Stein und versuchte sich mögliche Lösungen für ihr Schicksal auszumalen. Wann immer er an ein böses Ende stieß, zog er rasch seine Gedanken zurück wie eine Schnecke ihre Fühler und schlug eine andere Richtung ein. Bis zum Fjord mochten sie es schaffen. Und dann? Wie sollten sie hinübergelangen? Sie müssten ein Floß bauen wie vor Jahren auf Wegeners Weg nach Pustervig, doch anders als damals besaßen sie keine Mittel dazu.
    Am folgenden Nachmittag brachen sie das Zelt ab und stellten sämtliches Gepäck auf einem Haufen zusammen. Erst als sie so beieinanderstanden, fiel Wegener auf, was für eine kleine Gruppe sie geworden waren, ohne die Pferde. Umso größer wirkte der Berg ihrer Last. Sie setzten sich im Kreis um das Gepäck und hofften auf einen Einfall, einen Plan, nach dem zu verfahren wäre. Keiner sagte ein Wort, Gloë lief zwischen ihnen hin und her und dachte wohl, es sei ein neues Spiel. Auch er vermisste Grauni.
    Jede Auswahl könnte sich als falsch erweisen, wie immer.

    Als Erstes räumte Koch den Schlitten zur Seite, um den Stapel kleiner zu machen. Dann nahm er wieder Platz auf seinem Stein.
    Nach einer Weile schüttelte Wegener den Kopf und zog den Schlitten zurück. Larsen fragte ihn, was er da tue. Ob Wegener beim Ziehen am Vortag nicht gemerkt habe, dass ihr Gefährt sich über die Steine nicht ziehen lasse. Dann müssten sie, entgegnete Wegener, den Schlitten eben tragen. Larsen schwieg, er sah aus, als würde er sich am liebsten auf eigene Faust auf den Weg machen. Vigfus schlug vor, das Kochgeschirr zurückzulassen, die Vorräte des kleinen Depots würden ohnehin nicht lange vorhalten. Das leuchtete allen ein. Sie sortierten die Töpfe aus, aber an der Größe des Haufens änderte sich dadurch nichts.
    Larsen fragte, ob man die Dokumente und Photographien nicht später nachholen könne. Wegener sah ihn nur

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