Alles Land - Roman
präpariert?
Als er am Ende der Woche aus der Kammer trat, wusste Wegener, wo er zu suchen hatte: auf 50°57’ Nord und 26°50' östlich Ferro.
Der Punkt lag gleich bei der Gemarkung Rommershausen, Wegener tippte auf ein Waldgebiet neben dem Ort, bei direktem Niedergang auf dem freien Felde hätte ein Bauer
wohl mittlerweile etwas bemerkt. Gemeinsam mit einigen Gehilfen machte Wegener sich auf die Suche nach Spuren des Himmelskörpers. In langer Reihe strichen sie durchs Unterholz, schon bald sprach keiner von ihnen mehr ein Wort, als seien sie auf der Pirsch. Was man alles für die Spuren eines Einschlags nehmen konnte! Am ersten Nachmittag versetzten sämtliche Schatten am Waldboden sie in helle Aufregung. Mit der Zeit aber wurden sie misstrauischer und schlugen nicht mehr wegen jedem Maulwurfshügel Alarm.
Nach einigen Tagen wurde die Suche ergebnislos abgebrochen und stattdessen eine Belohnung von dreihundert Goldmark ausgelobt. Die Landwirte der Umgebung wurden angehalten, auch bei der Herbstbestellung ihrer Felder die Augen offen zu halten.
Es dauerte ein ganzes Jahr, bis ein Holzbauer den Revierförster Huppmann auf einen Blitzeinschlag im Rommershausener Wäldchen aufmerksam machte. Huppmann untersuchte die Buche und stellte fest, dass sie neben Brand- auch Schleifspuren zeigte. Das sei, schrieb er nach Marburg, für Blitze doch eher ungewöhnlich. Des Weiteren zeige sich am Fuße des Baumes eine seltsame Öffnung, die er anfänglich für einen Fuchsbau gehalten habe, aber vielleicht wollten sich die Herren Professoren einmal selber ein Bild machen?
Das wollten sie. Sofort wurde nach Treysa aufgebrochen. In Cölbe geriet der Wagen in eine Schar Hühner, nicht alle Exemplare überlebten die Begegnung, wie Wegener mit einem Blick über die Schulter bemerkte.
Huppmann hatte bereits Spaten bringen lassen, Professor Richarz und Wegener hängten ihre Jacken an einen Ast, und man begann mit der Arbeit. Die vorgefundene Senke wies einen Viertelmeter Tiefe auf, nachstürzendes und vom Regen hineingeschwemmtes Erdreich mochten eine ursprüngliche Einschlagsgrube wieder aufgefüllt haben.
Anfangs kamen sie gut voran, die obere Schicht bestand teils aus lockerem Waldboden, teils aus unreinem Lößlehm. Nach einem knappen Meter stießen sie auf tonigen Sandstein, den Richarz der unteren Buntsandsteinformation zuordnete. Das Graben darin war ermüdend, immer häufiger stützten sich alle Beteiligten auf ihre Spaten, und endlich wurde beschlossen, die Arbeit zur Gänze den beiden Forstgehilfen zu überlassen, die Huppmann dankenswerterweise herbeigeschafft hatte.
Es war den beiden jungen Männern anzusehen, was sie von der ganzen Sache hielten. Wegener konnte sie verstehen, auch er hätte sich an ihrer Stelle gefragt, wie man in dieser Tiefe auf etwas anderes stoßen wollte als auf immer weitere Lagen Sand und Erde und Fels. Wenn er es nicht besser gewusst hätte.
Die Gehilfen stöhnten bei jeder Schippe Sand, die sie über den Rand der Grube warfen. Auf einmal aber, die Grabung mochte reichlich anderthalb Meter Tiefe erreicht haben, stieß einer von ihnen einen Laut aus, nichts als ein großes, rundes »Oh«, gerade laut genug, dass Wegener sich sogleich zu den beiden Männern hinunterließ und mit den Fingern den Stein freizulegen begann, auf den sie gestoßen waren.
Er war riesig. Er war, dachte Wegener, als sie ihn herausgezogen hatten, so groß und so rund wie das »Oh« des Gehilfen.
Tiefschwarz, von groben Beulen und Höhlen überzogen, und doch war seine Oberfläche so vollkommen glatt wie schwarzes Porzellan. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass die Oberfläche einmal geschmolzen gewesen war und dann wieder erkaltet. Wegener versuchte den Stein aufzuheben, er wollte ihn in die Höhe stemmen wie einen Pokal. Schließlich war er der erste Mensch, der ihn jemals berührte. Der Brocken mochte einen guten Zentner wiegen. Gerade als ihm schwindelig wurde, sprangen ihm die Gehilfen bei, gemeinsam wuchteten sie das Meteor aus der Grube.
Als Wegener selbst heraufgekrochen kam und sich die Hosen abklopfte, hatte Professor Richarz schon das Okular am Auge. »Reines Eisen«, sagte er. »Unzweifelhaft in jeder Beziehung.« Er schaute auf. »Ein richtiger Kaventsmann, gewiss eines der bedeutendsten Stücke der Neuzeit.« Keine achthundert Meter von der berechneten Einschlagstelle entfernt. Es war das erste Mal, dass ein Meteor nach planmäßigen Berechnungen aufgefunden wurde.
Richarz war der Erste, der
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