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Alles muss versteckt sein (German Edition)

Alles muss versteckt sein (German Edition)

Titel: Alles muss versteckt sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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lieb von dir. Aber so ist es wirklich am besten, außerdem reden wir doch nur von vier Jahren Grundschule, da können wir die Kirche ruhig im Dorf lassen.« Als ich das sagte, drückte Christopher noch einmal meine Hand, so, als würde er mir damit Einigkeit signalisieren wollen. Denn in dieser Beziehung teilten wir die Ansicht, dass wir im Gegensatz zu anderen Leuten kein riesiges Tamtam um das Thema machen wollten. Wir hielten auch nichts von irgendwelchen Hochbegabungstests oder speziellen Förderprogrammen, Celia sollte einfach nur eine ganz normale, unbeschwerte Kindheit haben. So wie Christopher und ich sie gehabt hatten, jedenfalls, was die Schule betraf. Denn während meine Mutter immer so tat, als hätten sie und mein Vater mich auf eine Eliteeinrichtung geschickt, hatte ich in meinem Heimatort Stormarn nur eine ganz normale Dorfschule und später nicht einmal das Gymnasium besucht.
    »Ihr müsst es ja wissen«, sagte meine Mutter in einem Tonfall, der genau das Gegenteil besagte, nämlich, dass wir es eben nicht wussten. »Aber allein die Lage am Ring! Eine vierspurige Hauptverkehrsstraße! Es würde mich wundern, wenn bei dem Lärm überhaupt ein vernünftiger Unterricht in den Klassenzimmern möglich ist.«
    »Keine Sorge, die sind schallisoliert«, gab ich zurück, obwohl ich das gar nicht wusste. Und tatsächlich war der Ring neben der Schule das Einzige, was mir anfangs auch ein wenig Bauchschmerzen bereitet hatte. Aber Christopher hatte sämtliche Zweifel im Keim erstickt und mich daran erinnert, dass ich Celia anfangs ja bringen und abholen würde und sie außerdem im Gegensatz zu uns in der Großstadt aufwuchs und so mit dem Straßenverkehr vertraut war. »Oder ist es dir doch lieber, wenn Regina sie nachmittags nimmt?«
    »Nein«, hatte ich geantwortet und ihm einen Kuss auf die Nase gegeben. »Bloß das nicht!«
    »Das Verhältnis zu Ihrer Mutter ist oder war also gespannt?« Dr. Jan Falkenhagen – jetzt ganz der professionelle Psychiater – bedenkt Marie mit einem Blick, der so viel bedeutet wie: »Aha! Jetzt kommen wir der Sache auf den Grund!« Sie schüttelt den Kopf, denn ihre Mutter hat mit »der Sache« nicht das Geringste zu tun. Höchstens am Rande, höchstens als »Was wäre wenn«, was, wenn Celia doch zum Klosterhof …
    »Nein«, unterbricht Marie diesen Gedanken. »Oder, doch, aber nicht mehr oder weniger gespannt, als das Verhältnis zu Eltern eben so ist.«
    »Bei manchen ist es überhaupt nicht gespannt«, wirft der Arzt ein.
    »Mag sein«, sie zuckt mit den Schultern. »Aber das halte ich eher für die Ausnahme als die Regel.«
    »Verstehe.« Mit einem goldenen Kugelschreiber notiert er etwas auf dem kleinen Block, der auf dem Knie seines übergeschlagenen Beins liegt, und Marie fragt sich, was an dieser Banalität aufschreibenswert ist. Aber er ist der Experte, er wird es wissen. »Warum wollten Sie dann nicht, dass Ihre Mutter Celia am Nachmittag betreut?«
    »Ich kann nicht sagen, dass ich es nicht wollte .«
    »Sondern?« Sie überlegt einen Moment.
    »Okay, vielleicht wollte ich, wollten wir es nicht. Meine Mutter ist einfach ein bisschen schwierig.«
    »Schwierig?«
    »Oder nennen wir es streng. Ich habe ihr Celia nicht so gern allein überlassen. Hin und wieder mal abends oder am Wochenende, das schon, aber es sollte keine regelmäßige Einrichtung werden.«
    »Haben Sie ihr nicht vertraut?«
    »Doch«, sie nickt. »Sehr sogar.« Denn es gibt viel, was man über ihre Mutter sagen kann, eine ganze Menge sogar. Kontrollsüchtig, herrisch, manchmal hartherzig, wenig empathisch und nur selten verständnisvoll, die meiste Zeit drehte sie sich um sich selbst. Aber nicht, dass sie nicht vertrauenswürdig, nicht zuverlässig ist. Allerdings hat Marie sich selbst auch immer für zuverlässig gehalten, und bis auf ein einziges Mal ist sie es ja auch immer gewesen.
    »Was war es dann?«
    »Hören Sie«, fährt Marie ihn an, sodass er fast unmerklich zusammenzuckt und seine Augen hinter den Brillengläsern nervös blinzeln. »Ich glaube nicht, dass ich hier über meine Mutter reden möchte, denn sie hat nicht das Geringste mit dem zu tun, was passiert ist.«
    »Glauben Sie das?«
    Noch so eine Psychologenfrage! Warum soll sie hier rumraten, was sie glaubt? Er soll ihr einfach sagen, was er denkt!
    »Nein, ich weiß es!«, erwidert sie, jetzt noch ein bisschen heftiger. »Und deshalb sehe ich auch überhaupt keinen Anlass dazu, Ihnen zu erzählen, wie ich mal mit drei Jahren vom

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