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Alles muss versteckt sein (German Edition)

Alles muss versteckt sein (German Edition)

Titel: Alles muss versteckt sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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bei uns zu Hause in der Kommode im Wohnzimmer, und manchmal, wenn ich Papa besonders vermisste, holte ich ihn hervor. An dem Tag hätte ich die Kamera gern dabeigehabt, aber ich hatte am Morgen bei unserem hektischen Aufbruch nicht daran gedacht, und meine Mutter hätte mit Sicherheit ohnehin nur ihren Senf dazu gegeben.
    Der feierliche Akt begann: »Wir begrüßen die neuen Erstklässler der Grundschule Falkenried«, sagte die Rektorin. Es folgte eine Aufführung der angehenden Viertklässler, ein paar Lieder des Kinderchors, zwischendurch drei oder vier rührend unbeholfene Sketche, bis es schließlich an der Zeit war, die Neuankömmlinge einzeln auf die Bühne zu rufen.
    »Celia Neumann«, erklang der Name unserer Tochter nach zehn Minuten. Sie sprang auf, legte ihre Schultüte ordentlich auf ihrem Stuhl ab und ging mit langsamen und etwas unsicheren Schritten auf das Podium zu, auf dem sich bereits ein Großteil ihrer zukünftigen Mitschüler versammelt hatte. Ein Mädchen aus der dritten Klasse, Celias Patin für das erste Jahr, nahm sie bei der Hand und begrüßte sie.
    »Mach ein Foto«, flüsterte ich meinem Mann aufgeregt zu, der immerhin unsere kleine Digitalkamera mitgenommen hatte. »Du musst ein Foto machen!«
    »Schon passiert!«, sagte er lachend. »Man könnte glatt meinen, heute ist deine Einschulung, so aufgeregt, wie du bist.«
    »Lass mich doch! Dann bin ich eben aufgeregt.«
    »Sie kommt nur in die Schule, Marie, sie geht nicht zur Armee.« Ich streckte ihm die Zunge raus, er beugte sich schnell zu mir und gab mir einen Kuss.
    »Ich hoffe, ihr habt die richtige Entscheidung getroffen«, sagte meine Mutter, nachdem alle Kinder von ihren Paten in die Klassenzimmer gebracht worden waren und wir zu ihr in den Hof kamen, um dort eine Stunde zu warten, denn so lange würde der erste Unterricht am Einschulungstag dauern.
    »Das denke ich ganz bestimmt«, gab ich zurück und merkte, wie ich innerlich plötzlich wieder diese unglaubliche Anspannung fühlte, die meine Mutter so oft in mir auslöste. »Die Schule hat schließlich einen guten Ruf.«
    »Und einen ziemlich hohen Ausländeranteil, wie ich vorhin sehen konnte«, sagte Mama und verzog dabei missbilligend das Gesicht. »Dazu noch die älteren Kinder von der Gesamtschule im Nebenhaus, die Kleinen müssen sich mit denen ja einen Pausenbereich teilen! Meiner Meinung nach wäre Celia auf der Klosterhofschule besser aufgehoben, da wäre sie unter ihresgleichen.« Manchmal legte Mama eine Dünkelhaftigkeit an den Tag, als wäre sie selbst einem ostelbischen Adelsgeschlecht entsprungen und nicht einer stinknormalen Handwerkerfamilie.
    »Das ist doch Unsinn!«, sagte Christopher, nahm meine Hand und drückte sie. »Außerdem ist die Grundschule Falkenried für uns zuständig, wir wohnen direkt im Einzugsgebiet.«
    »Das hättet ihr ja leicht ändern können«, sagte meine Mutter und spielte damit auf die Eltern von Lotta, Celias bester Kindergartenfreundin, an. Die hatten offiziell sogar ihren Wohnsitz verlegt und sich unter der Adresse von Bekannten in Winterhude gemeldet, um Anspruch auf einen Platz im beliebten Klosterhof zu bekommen. Celia war untröstlich gewesen, als sie hörte, dass sie und Lotta nach dem Kindergarten getrennt würden, hatte wochenlang gebettelt, dass wir sie an derselben Schule anmeldeten wie ihre beste Freundin.
    Aber Christopher war hart geblieben, und ich gab ihm recht. Nicht nur dass die Falkenried vollkommen in Ordnung war – das Gebäude lag nur achthundert Meter von meinem Arbeitsplatz im Kindergarten Mansteinstraße entfernt, sodass Celia nach den ersten Wochen, die ich sie morgens bringen und mittags wieder abholen würde, eigenständig zu mir in die Kita kommen könnte, wo wir im angegliederten Hort nachmittags einen Betreuungsplatz für sie hatten.
    Zum wiederholten Mal erklärte ich meiner Mutter diesen Umstand und endete mit einem »Alles andere wäre Quatsch und unpraktisch, schließlich muss ich oft bis fünf Uhr arbeiten, und Christopher kommt noch viel später nach Hause. Wenn überhaupt, du weißt ja, dass er häufig auf Reisen ist, und dann bin ich mit Celia ganz allein.«
    »Das ist kein Argument«, gab meine Mutter zurück, zündete sich erneut eine Zigarette an und blies mir den Rauch mitten ins Gesicht. »Ich hatte euch ja angeboten, sie am Nachmittag zu nehmen«, erklärte sie in beleidigtem Tonfall. »Von mir bis zur Klosterhofschule sind es keine fünf Minuten!«
    »Ich weiß, und das ist auch unheimlich

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