Alles muss versteckt sein (German Edition)
ist zwei Jahre jünger als ich, arbeitet bei einem Steuerberater, ist Single und kinderlos, das ist alles, was ich weiß. Und dass sie für mich immer noch ein Engel ist, deshalb nenne ich sie Elli-Engel, worüber sie wohl zuerst ein bisschen beschämt war. Aber mittlerweile sind wir so etwas wie Freundinnen, sie mein Elli-Engel, ich ihre Gold-Marie. Ach, es tut so gut, sie in meinem Leben zu haben, ohne sie wäre immer noch alles grau und trostlos.
Montag, 25. Juni
Ich bin total aufgeregt! Elli hat mich gefragt, ob wir uns nicht mal treffen wollen. Im richtigen Leben, miteinander einen Kaffee trinken gehen und ein bisschen plaudern. Ich weiß, wie viel Überwindung sie das gekostet haben muss, mir selbst ist bei der Vorstellung ja auch ein bisschen mulmig. Zum einen, weil es eben doch etwas anderes ist, sich persönlich zu begegnen und sich nicht nur übers Netz auszutauschen – zum anderen, weil ich schon ein klein wenig Angst habe, ob wir uns auch mögen. Vielleicht findet sie mich ja total unsympathisch, oder ich sie, obwohl ich mir das eigentlich nicht vorstellen kann. Wie sie wohl aussieht? Ich glaube, dass sie sehr hübsch ist. Einfach weil das, was sie mir bisher geschrieben hat, immer so schön ist. So warmherzig, so berührend. Nein, wir werden uns mit Sicherheit mögen, etwas anderes kann gar nicht sein.
Morgen Vormittag um elf treffen wir uns. Im »Café Bley« auf St. Pauli, da gibt’s den leckersten Streuselkuchen der Stadt, hat Elli behauptet. Wir haben uns sogar ein geheimes Erkennungszeichen überlegt. Jede von uns soll eine rote Rose in der Hand halten, wie bei einem Date. Ich bin so unglaublich gespannt auf sie und freue mich riesig!
Dienstag, 26. Juni
Sie ist nicht gekommen. Über eine Stunde lange habe ich in dem Café gesessen und darauf gewartet, dass Elli auftaucht. Zwischendurch hab ich mich sogar noch zwei Mal bei der Kellnerin erkundigt, ob es auch wirklich nur ein einziges »Café Bley« auf der Reeperbahn gibt. Ich saß da mit meiner dämlichen Rose, habe einen Tee nach dem nächsten getrunken, Streuselkuchen gefuttert (der wenigstens wirklich lecker war!) und versucht, die Blicke der anderen Gäste zu ignorieren.
Ich kam mir so unglaublich bescheuert vor und fühlte mich richtig schlecht. Einem jungen Typen, der an meinem Tisch vorbeiging und mich blöd angrinste, hätte ich am liebsten den Hals umgedreht, in Gedanken hatte er schon meine Kuchengabel im Rücken stecken. Ein oder zwei Mal habe ich vermutlich meinen Kopf wieder so komisch hin- und hergeworfen, um die Vorstellung abzuschütteln, aber das hat, glaube ich, niemand gesehen.
Als ich nach Hause kam, habe ich sofort nachgesehen, ob ich eine Nachricht von Elli habe. Aber da war nichts. Ich habe ihr geschrieben und sie gefragt, ob alles in Ordnung ist. Jetzt gehe ich frustriert ins Bett und hoffe, dass sie sich morgen bei mir meldet.
Mittwoch, 27. Juni
Sie hat geschrieben! Heute Nacht noch um 2.54 Uhr, gleich nach dem Aufstehen habe ich Ellis Antwort in meinem Postfach entdeckt. Sie hat sich tausendfach bei mir entschuldigt, dass sie nicht aufgetaucht ist. Hätte sie meine Handynummer gehabt, hätte sie mich angerufen, aber das ging ja leider nicht. Als sie gerade zu unserem Treffen loswollte, hat sie wie aus dem Nichts einen sehr starken Zwangsschub bekommen, so schlimm, dass es ihr unmöglich war, das Haus zu verlassen.
Natürlich habe ich mich gefreut, dass sie sich wieder gemeldet hat – und gleichzeitig habe ich Angst bekommen. Wenn sogar Elli, die doch schon so viel mehr weiß als ich, die doch schon so lange mit ihren Zwängen lebt und sie meistens gut im Griff hat, wenn sogar sie noch solche Anfälle hat, was heißt das dann für mich? Unheilbar, diese Krankheit, ich fürchte, sie ist wirklich unheilbar!
Jedenfalls haben Elli und ich beschlossen, uns weiter zu schreiben, uns aber lieber vorerst nicht zu treffen. Das heißt, Elli hat das vorgeschlagen, weil sie sich momentan für ein persönliches Treffen zu angespannt fühlt. Ich bin darüber natürlich etwas enttäuscht, aber mit ihr zu schreiben ist immer noch besser als gar nichts!
Samstag, 7. Juli
In den letzten Wochen ging es mir richtig gut, und jetzt habe ich mir bei einem blöden Unfall den kleinen Finger gebrochen! Dabei hatte ich noch Glück, ich hätte mich noch schwerer verletzen können, denn gestern bin ich mit voller Wucht von einer Radfahrerin umgenietet worden. Mitten auf dem Bürgersteig! Ich wollte gerade nur kurz raus zum Einkaufen, da
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