Alles muss versteckt sein (German Edition)
die beiden.
Später tauchte dann noch Felix, der mittlere Bruder von Patrick und Vera, bei der Feier auf, der allerdings mit schwarzen Haaren und dunklen Augen ganz anders aussieht als seine Geschwister. Felix fand ich ehrlich gesagt ein bisschen unangenehm, weil er ziemlich betrunken war. Und die Art und Weise, wie er mich ansah, war irgendwie … fast unverschämt. Als würde er mich dabei mit Blicken ausziehen, das war mir richtig peinlich. Komisch, dass zwei Brüder so grundverschieden sein können.
Nach der Feier hat Patrick mich sogar nach Hause gefahren, weil er meinte, er könne nicht zulassen, dass ich noch einmal einer gemeingefährlichen Radfahrerin wie seiner Schwester zum Opfer falle. Das fand ich sehr süß, vor allem weil ich in meinem Überschwang dann doch auch das ein oder andere Glas Wein zu viel getrunken hatte und schon leicht beschwipst war. Als ich vor meiner Wohnung ausstieg, hat Patrick mir seine Handynummer gegeben und gesagt, er würde sich freuen, von mir zu hören.
Ich muss zugeben, dass es bei dem Gedanken an Patrick schon ein bisschen kribbelt. Irgendwie ein schönes Gefühl. Eins, das ich lange nicht mehr hatte. Und eins, das ich genießen möchte. Das hat auch Elli gemeint, der ich natürlich noch gestern Nacht alles geschrieben habe. »Siehst du, meine Gold-Marie«, hat sie geantwortet, »ich hab’s dir doch gesagt, irgendwann findest du ins Leben zurück!«
Es stimmt. Jedenfalls fühlt es sich gerade so an. Ich finde ins Leben zurück. Endlich, endlich wieder ins Leben zurück!
In dieser Nacht liegt Marie wach und denkt an Patrick. Angeregt von ihrem Gespräch mit Dr. Falkenhagen über ihr Tagebuch erinnert sie sich. Und diesmal sind es schöne Erinnerungen und Gedanken.
Sie wartet drei Tage, bis sie zum ersten Mal Patricks Handynummer wählt. Drei Tage, in denen sie fast rund um die Uhr an ihn denk t, da ist kaum noch Platz für Zwangsvorstellungen, drei Tage, in denen sie das Gefühl genießt, eine ganz normale Frau zu sein, die ein bisschen verliebt ist, und keine, deren Leben in Trümmern liegt. Drei Tage, in denen sie sich mit Elli schreibt, sich darüber berät, was sie nur sagen soll, wenn sie Patrick anruft, soll sie ihn fragen, ob er Lust auf ein Treffen hat, oder lieber w arten, dass er es vorschlägt. Drei Tage, in denen sie alles liest, was sie über ihn im Netz finden kann, und es ist eine Menge, was sie da findet. Tatsächlich ist er regelrecht berühmt, ein erfolgreicher Schriftsteller, mit all seinen Büchern immer sofort auf der Bestsellerliste, in mehrere Sprachen übersetzt. Schon sein erster Roman hat ihn vor über zehn Jahren und mit gerade mal dreißig über Nacht z um neuen Star der Literaturszene gemacht. Marie nimmt sich vor, das Buch unbedingt mal zu lesen.
Auch über Vera und Felix findet sie ein bisschen was, darüber, dass Patricks Schwester als Schauspielerin gerade kurz vor ihrem Durchbruch steht und dass Felix auch schon zwei Bücher veröffentlicht hat. Allerdings im Eigenverlag, sodass sie lange nicht so bekannt sind wie die seines Bruders. Marie erinnert sich an den Abend der Premierenfeier, an Felix, der Patrick zu seinem neuesten Erfolg gratulierte. Daran, wie sie ihn als ziemlich unangenehm empfand, betrunken und anmaßend, in seinem Lob dem Bruder gegenüber nahezu feindselig.
Jetzt kann sie Felix fast verstehen. Marie kennt den Neid unter Geschwisterkindern, hat in der Kita schon oft vergossene Tränen getrocknet, wenn der eine auch gern das haben möchte, was dem anderen gehört. Vielleicht hat ihre Mutter Regina ja doch tatsächlich recht? Marie muss an Celia denken und daran, wie oft ihre Tochter sie und Christopher gefragt hat, ob sie nicht ein Geschwisterchen haben kann. Und dass sie traurig war, als Marie ihr erklärte, dass das leider nicht ginge – um sie im nächsten Moment damit zu trösten, dass sie dafür aber Mama und Papa immer ganz für sich allein haben würde und nie etwas teilen müsste. Für immer, das war nicht gelogen, nicht für Celias »Immer«.
Drei Tage nach der Premiere ruft sie ihn also an, mit zittrigen Händen tippt sie seine Nummer in ihr Telefon, halb hoffend, dass er rangeht, halb befürchtend, dass er es tut. »Ist doch keine große Sache, wovor hast du solche Angst?«, hat Elli gefragt. Nein, eine große Sache, das ist es nicht. Aber für sie eben doch, seit Ewigkeiten hat Marie nicht mehr bei einem Mann angerufen, jedenfalls nicht, um sich mit ihm zu verabreden. Sie war schließlich lange Zeit mit
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