Alles muss versteckt sein (German Edition)
nur, wenn wir dieses finstere Geheimnis teilen, können wir sicher sein, dass keiner den anderen verrät.«
Patrick lachte. »Ach, was soll’s?«, sagte er, nahm den Joint, zog daran und hielt ihn danach mir hin. Ich zögerte. Klar hatte ich schon einmal gekifft, aber das war Jahre her. Es war auch nicht so, dass ich so etwas verdammte, aber ich fragte mich kurz, ob das wirklich eine gute Idee war.
»Das war keine gute Idee«, stellt Dr. Falkenhagen fest.
»Heute weiß ich das auch«, gibt Marie zu. »Aber damals? Ein lauer Sommerabend, eine ausgelassene Runde … « Sie zuckt mit den Schultern. »Da habe ich den Joint eben genommen.«
»Ihnen war also nicht bewusst, was die Droge in Ihnen auslösen könnte? Dass sie Ihren Zustand verschlimmern würde?«
»Natürlich nicht! Sonst hätte ich sicher die Finger davon gelassen. Ich bin doch nicht verrückt!«
Zuerst merkte ich nicht sonderlich viel . Aber als der Joint zum zweiten Mal die Runde machte, fühlte ich mich langsam schon seltsam. Zuerst war es ein sehr schönes, leichtes Gefühl. Wir alle lachten noch viel mehr, als wir es ohnehin schon getan hatten. Dann geriet ich in eine Art Schwebezustand, konnte mich selbst, meinen Körper nicht mehr spüren und hatte Schwierigkeiten, meine Gedanken festzuhalten. Sie entglitten mir einfach, bald wusste ich nicht mehr, ob ich etwas gesagt hatte oder nur dachte , dass ich es getan hatte. Patrick hatte seinen Arm um meine Schulter gelegt, und ich lehnte meinen Kopf gegen ihn, weil ich ihn auf einmal nicht mehr selbst aufrecht halten konnte.
»Alles in Ordnung mit dir?«, flüsterte er mir zu.
»Ja«, sagte ich, und in meinen Ohren hörte es sich wie ein lang gezogenes Hallen an, ein eigenartiger Laut, der unmöglich aus meinen eigenen Mund kommen konnte.
»Wirklich?«
»Hm«, murmelte ich und schloss für einen Moment die Augen, weil sich mittlerweile alles um mich herum drehte. »Muss nur kurz ein bisschen ausruhen«, nuschelte ich und seufzte tief. Ich spürte die Wärme, die von Patricks Körper ausging, genoss das sanfte Schaukeln meines Kopfes an seiner Schulter, wenn er seinen Oberkörper bewegte. So saß ich einfach eine Weile da, mit geschlossenen Augen, lauschte den anderen dreien, wie sie redeten und lachten.
Irgendwann fühlte ich mich etwas weniger bedröhnt, öffnete die Augen und setzte mich wieder gerade hin. Mein Blick fiel auf die Grillgabel, die Felix seitlich auf dem Tisch abgelegt hat. Ich sah die scharfen Zacken, an denen noch kleine, angekokelte Fleischfetzen klebten, sah den Griff in unmittelbarer Reichweite vor mir – und mit einem Mal sah ich mich die Gabel nehmen, sah mich selbst in aller Ruhe vom Tisch aufstehen und sie Patrick von hinten direkt ins Genick rammen, sodass er aufschrie und blutend zu Boden ging. Das Zittern im ganzen Körper, da war es wieder, ich wurde unkontrollierbar hin und her geschüttelt.
»Marie!«, hörte ich Stimmen wie aus weiter Ferne, während ich in die erschrockenen Gesichter der anderen starrte. »Was ist mir dir? Geht’s dir nicht gut?« Schreckliche Bilder fluteten meinen Kopf, und statt einer Antwort brachte ich nur Tierlaute hervor, ein Knurren, ein Fauchen, ein jämmerliches Jaulen. Überall sah ich plötzlich Dinge, mit denen ich Patrick verletzen könnte. Da die leere Weinflasche, ein gezielter Schlag damit auf die Tischkante, zack!, schon wäre der abgebrochene Hals eine tödliche Waffe. Dort das lange Fleischermesser, mit dem Felix vorhin ein paar der Filets kleiner geschnitten hatte, ich müsste nur danach greifen und die Klinge in Patricks Bauch stoßen, wieder und wieder. Oder in seine Brust, direkt in seine Lunge, mit einem leisen Pfeifen würde die Luft entweichen wie aus einer aufgepumpten Luftmatratze, aus der man den Stöpsel zog. Ich sah Patrick vornüber auf den Tisch sacken, sein Kopf würde auf seinen Teller knallen, das Porzellan zerspringen.
»Nein«, krächzte ich schwach, verdrehte die Augen, warf meinen Kopf hin und her. »Nein!«
»Marie!« Patrick packte mich an den Schultern und wollte mich dazu zwingen, ihn anzusehen. »Beruhige dich!« Aber daran war nicht zu denken, im Gegenteil, als er mich anfasste, wurde es nur noch schlimmer. In meiner Fantasie lagen meine Hände jetzt um seinen Hals und drückten mit aller Kraft zu, ich konnte seinen Adamsapfel spüren, wie er unter dem Druck meiner Daumen hin und her glitschte.
»Shit«, erklang Veras Stimme von irgendwoher, »das muss das Gras sein, so eine Scheiße! Kann ich
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