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Alles muss versteckt sein (German Edition)

Alles muss versteckt sein (German Edition)

Titel: Alles muss versteckt sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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doch nicht ahnen, dass sie das nicht verträgt!«
    »Hol Wasser, schnell!«, schrie Patrick sie an, ich hörte einen Stuhl rücken, dann eilige Schritte, gefühlte Sekunden später war Vera zurück.
    »Hier!« Sie hielt mir das Glas direkt unters Kinn. Denken ist nicht tun! Denken ist nicht tun! Denken ist nicht tun! Denken ist nicht tun! Wieder und wieder ratterte der Satz durch meinen Kopf, wie in einer Endlosschleife. Und während ich die Worte wiederholte, merkte ich, wie ich langsam, ganz langsam etwas ruhiger wurde, wie das Zittern aufhörte, wie ich wieder besser atmen konnte. Denken ist nicht tun! Denken ist nicht tun!
    »Danke«, brachte ich mühsam hervor, als ich mich nach einer Ewigkeit wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte. Ich nahm Vera das Wasserglas aus der Hand, trank gierig einen großen Schluck in der irrigen Hoffnung, allein damit die Droge aus meinem Körper zu spülen. Doch natürlich war mir nach wie vor noch schummrig.
    Gleichzeitig fühlte ich etwas anderes: unerträgliche Scham darüber, was gerade passiert war. Ein Zwangsanfall, fast so schlimm wie damals im Kindergarten, als ich in Gedanken den kleinen Anton ermordet hatte. Und jetzt also in Patricks Gegenwart. In Gegenwart des Menschen, den ich liebte oder in den ich mich von mir aus auch nur verliebt hatte. Und sie alle, Patrick, Vera und Felix, hatten es miterlebt, hatten gesehen, wie aus mir ein Tier wurde. Die Art und Weise, wie die drei mich anstarrten: Entsetzt. Verwirrt. Angewidert. Blicke, wie ich sie schon von meiner Mutter kannte.
    Ich klammerte mich an die Hoffnung, dass es ein einmaliger Vorfall bleiben würde. Dass nur das Kiffen Schuld daran hatte, dass der Kobold wieder durch meinen Kopf getobt war. Aber ein einziger Blick auf Patrick reichte aus, ein einziger kurzer Blick, um diese Hoffnung im Keim zu ersticken. Nein. So würde es nicht sein. Die Tür war jetzt offen – und ich würde sie nicht einfach wieder schließen können.
    Das, wovor ich mich am meisten gefürchtet hatte, war nun eingetreten, ich war wieder zu dem Mädchen mit den Goldhänden geworden. Bedeutete das nun das Ende meiner Liebe zu Patrick, die doch gerade erst begonnen hatte? Dieser Zwangsschub, würde er mich zu etwas anderem zwingen, nämlich dazu, mich wieder komplett zu isolieren, mich zu Hause zu vergraben, mit meinem Computer als einziger Verbindung zur Außenwelt?
    »Schsch«, flüsterte Patrick und nahm mich zärtlich in den Arm, weil mir jetzt Tränen über die Wangen liefen. »Ist ja schon gut, Marie, es ist vorbei. Du hast nur den Joint nicht vertragen, das ist alles, morgen wird es dir schon viel besser gehen.« Er wandte sich an Vera und Felix. »Ich denke, ihr geht jetzt besser. Marie braucht ein bisschen Ruhe.«
    »Klar, sicher!«, kam es wie aus einem Mund. Und dann waren beide ohne ein weiteres Wort verschwunden.
    »Sollen wir auch reingehen?«, wollte Patrick wissen, als wir allein waren. »Es wird langsam kühl, und du solltest dich vielleicht ein bisschen hinlegen.« Ich schüttelte den Kopf.
    »Bitte bring mich nach Hause.«
    »Das halte ich für keine gute Idee.«
    »Bitte«, wiederholte ich. »Ich will nach Hause.«
    Ich konnte Patrick kaum ansehen, als er mich eine halbe Stunde später vor meiner Wohnungstür absetzte. Er hatte ein Taxi gerufen, von uns beiden war ja keiner mehr fahrtüchtig.
    »Soll ich nicht wenigstens noch mit nach oben kommen?«, fragte er.
    »Nein«, erwiderte ich. »Das schaffe ich schon allein, ich brauche jetzt wirklich einfach nur ein bisschen Ruhe.«
    »Es tut mir wirklich leid, dass Vera … «
    »Das muss dir nicht leidtun«, unterbrach ich ihn. Und das musste es wirklich nicht. Ich hätte ja wirklich selbst darauf kommen können, dass jemand, in dessen Kopf gerade einiges komplett durcheinanderging, ganz bestimmt nicht kiffen sollte. Aber ich war wie ein unvernünftiges Kind gewesen, das auf die heiße Herdplatte fasst, weil es nicht begreifen will, dass es sich dort verbrennen wird.
    »Rufst du mich an, wenn es dir besser geht? Oder schlechter?«
    »Ja, das mache ich.« Er beugte sich zu mir, gab mir einen Kuss auf den Mund und strich mir dabei mit einer Hand über die Wange. Ganz vorsichtig und sanft, als hätte er Angst, noch mehr kaputt machen zu können, als ohnehin schon kaputt war.
    »Dann schlaf gut und erhol dich.«
    »Ja.« Ich legte eine Hand auf den Türgriff, um auszusteigen. Dabei wäre ich am liebsten bei Patrick geblieben, hätte mich am liebsten in seine Arme geworfen und ihn

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