Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles muss versteckt sein (German Edition)

Alles muss versteckt sein (German Edition)

Titel: Alles muss versteckt sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
Vom Netzwerk:
gebeten, mit mir zu kommen. Damit er mich beschützte vor dem, vor dem ich mich nicht selbst beschützen konnte. Anti-Monsterspray , schoss es mir durch den Kopf, so etwas gab es doch, wir hatten es bei uns im Kindergarten für Übernachtungsabende. Eine kreischend bunte Plastikflasche mit lustigen Figuren auf dem Etikett, so etwas gab es in jeder Drogerie und in jedem Bastelladen für ein paar Euro zu haben. Einfach ein bisschen Anti-Monsterspray in der Luft versprühen und alles war gut, zumindest für die Kleinen. Aber für die Großen gab es das nicht, kein Spray kam gegen solche Monster an.
    An Schlaf war nicht zu denken, als ich in meine Wohnung kam. Stattdessen führte mein Weg mich direkt zum Computer, dem einzigen Ort, wo ich mir wenigstens ein bisschen Hilfe versprach. Ich würde an Elli schreiben, sofort würde ich das!
    Liebe Elli,
    es ist etwas Schreckliches passiert, genau das, wovor ich schon die ganze Zeit Angst hatte: Meine Zwangsgedanken fangen an, sich gegen Patrick zu richten …
    Bereits beim Schreiben merkte ich, wie der Druck, der auf mir lastete, nachließ. Ich musste meine Mail an Elli nur abschicken, schon spürte ich, wie die Angst in mir sich legte, wie ich wieder ein bisschen Hoffnung schöpfte. Und als ich am nächsten Morgen Ellis Antwort erhielt, fiel mir ein riesiger Stein vom Herzen.
    Liebe Marie,
    es tut mir so leid, was passiert ist!
    Das Beste ist, wenn du dich der Sache stellst. Damit meine ich nicht, dass du Patrick davon erzählen sollst, dafür ist es meiner Meinung nach zu früh. Du kennst ihn ja erst so kurz, wer weiß, wie er da reagieren wird?
    Ich denke, du solltest einfach so weitermachen wie bisher. Sprich deine Zwangsgedanken auf, sprich sie alle auf, auch die, die du Patrick gegenüber hast. Hör sie dir immer wieder an, so lange, bis sie dir aus den Ohren rauskommen und sie ihren Schrecken verlieren! Mehr kann ich dir gerade auch nicht raten, aber ich bin der festen Überzeugung, dass dir das helfen wird. Bisher hat es doch auch ganz gut geklappt!
    Ich bin für dich da, wenn du mich brauchst, Menschen wie wir müssen einfach zusammenhalten!
    Elli
    »Sie scheint wirklich klug zu sein, diese Elli.« Dr. Falkenhagen lässt sein Notizbuch sinken, die Seiten sind schwarz wie eine Bleiwüste, er muss ohne Unterlass mitgeschrieben haben.
    »Das ist sie, ganz sicher sogar. Ohne sie wäre ich spätestens zu diesem Zeitpunkt komplett durchgedreht.«
    »Wie geht es Ihnen jetzt?«, fragt er.
    »Ganz gut.« Sie horcht in sich hinein. »Ja, wirklich, es geht mir ganz gut. Aber ich bin auch verwirrt.«
    »Verwirrt?«
    »Ja. Ich erzähle Ihnen das alles und frage mich immer mehr, wie es am Ende dann doch passieren konnte. Wenn ich mich an Patrick erinnere und daran, welche Gefühle ich für ihn hatte … Nein, welche Gefühle ich immer noch für ihn habe, dann kann ich einfach nicht begreifen, weshalb ich ihn umgebracht habe. Man tötet doch niemanden, den man liebt!« Das gute Gefühl, es verschwindet, und an seine Stelle tritt der Kummer. Der Kummer darüber, nicht nur ein Menschenleben ausgelöscht, sondern gleichzeitig auch noch eine Liebe verloren zu haben. Ihre Liebe. Alle Liebe, die in ihr ist.
    »So weit sind wir noch nicht«, wiederholt Dr. Falkenhagen. »Sie brauchen Geduld und Zeit.«
    »Geduld, ja«, sagt Marie resigniert. »Und Zeit. Davon habe ich hier ja mehr als genug.«
    »Ich finde, wir sind auf einem guten Weg.« Als würde er sich selbst zustimmen wollen, nickt der Arzt mit dem Kopf. »Langsam wird alles klarer.«
    »Klarer?« Marie sieht ihn verständnislos an. »Für mich wird alles nur noch verworrener. Je mehr ich mich erinnere, desto weniger verstehe ich, was passiert ist.«
    »Geduld«, wiederholt der Arzt und lächelt nachsichtig. »Haben Sie einfach noch ein bisschen mehr Geduld.«

9
    »Geduld und Fingerspitzengefühl, das ist hier gefragt.« Ralph Bäumer, Kunsttherapeut, legt eine Hand auf Hannahs Schulter, die gerade fluchend eine der angeketteten Feilen, mit der sie einen Speckstein bearbeitet hat, auf den Tisch donnert. Es ist das erste Mal, dass Marie eines der Klinikangebote nutzt. Heute hat sie sich für die Kunsttherapie entschieden, sitzt jetzt mit Hannah, Susanne, Günther, Gertrud und zwei weiteren Insassen im Werkraum in einem Nebengebäude von Haus 20.
    »Das ist alles Mist!«, schimpft Hannah, hebt den Stein einmal an und lässt ihn so auf die Tischplatte knallen, dass er in drei Stücke zerbricht. »Du glaubst doch wohl nicht, dass es mir

Weitere Kostenlose Bücher