Alles muss versteckt sein (German Edition)
mit dem Therapeuten diskutiert. Wenn sie doch auch nur so etwas hätte, so etwas lächerlich Simples. Etwas, das sie mit sich selbst ausmachen könnte. Seit ihrem letzten Termin mit Dr. Falkenhagen ist nicht nur ihr Lebenswille Stück für Stück zurückgekehrt, sondern gleichzeitig hat sie auch etwas mehr Klarheit. Und mit der Klarheit ist nun eine neue Verzweiflung da, die Einsicht darüber, was sie noch alles erwartet.
»Es wird kein leichter Weg«, hat ihr Exmann Christopher am Telefon gesagt, und während sie jetzt auf ihre Hände blickt, die genau wie Hannahs versuchen, aus einem Klumpen Speckstein etwas Geformtes zu machen, etwas, das irgendeinen Sinn ergibt, muss sie über die Sinnlosigkeit ihres Daseins nachgrübeln.
Marie versucht, ihre Gedanken zu ordnen. Sie schließt die Augen, lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück. Bereitet sich gedanklich auf ihre nächste Sitzung mit Jan Falkenhagen vor, vielleicht wird sie dabei über etwas stolpern. Etwas, das alles erklären wird und das ihr dabei helfen kann, ihrem Leben eine neue Form zu geben.
Meine Gewaltfantasien gegenüber Patrick aufs Handy zu sprechen war besonders schlimm. Aber es half tatsächlich, auch diesmal hatte Elli recht mit ihrem Rat. Nach mehrmaligem Anhören kam mir die Szene in Patricks Garten nur noch lächerlich vor. Mit einer Grillgabel als Mordwaffe, wie albern das war! Vermutlich wäre so ein Teil nicht einmal scharf genug, um irgendwem ernsthaften Schaden zuzufügen. Dazu wäre ich auch gar nicht kräftig genug. Himmel, selbst gegen die vierjährigen Dreikäsehochs im Kindergarten kam ich oft nicht an, wenn sie sich zu dritt auf mich stürzten. Wie sollte ich da einen erwachsenen Mann verletzen? Waren Menschen nicht doch robuster, als wir dachten? Sonst würde doch viel öfter etwas passieren, nicht unbedingt mit Absicht, aber aus Versehen würden die Leute doch reihenweise umgebracht werden!
»Diese Gedanken haben Sie beruhigt?«, will Jan Falkenhagen wissen, als Marie ihm von ihren Überlegungen erzählt.
»Irgendwie schon. Ich sagte mir, dass ein Mord in Wahrheit doch gar nicht so einfach war, wie ich ihn mir vorstellte. Dazu brauchte man schließlich Kraft – und diese Kraft hatte ich ja gar nicht mehr, ich war ja vollkommen ausgelaugt und schlapp.«
»Es sei denn«, sagt der Arzt, lässt den Satz aber unvollendet in der Luft hängen.
»Ich weiß, was Sie meinen. Es sei denn, ich hätte jemanden im Schlaf überrascht. Was ich ja auch getan habe.« Sie ringt hilflos mit den Händen. »Deshalb wollte ich ja auch nie bei Patrick übernachten, das habe ich Ihnen ja schon erzählt. Aber mit der Zeit hatte ich natürlich auch Sehnsucht danach, die Nächte mit ihm zu verbringen.« Sie merkt, wie ihre Stimme einen entschuldigenden Tonfall annimmt. »Ich meine, das ist doch nur normal, oder? Wenn man jemanden liebt, will man nicht nur mit ihm schlafen, sondern auch neben ihm. Ihn spüren, bevor man wegdämmert, sich an ihn schmiegen, wenn man nachts einmal wach wird, einfach wissen, dass er da ist! Und ihn als Erstes sehen, wenn man morgens die Augen öffnet. Das gehört doch zum normalen Leben dazu, oder? Das ist doch nichts Verbotenes!«
»Nein, das ist es natürlich nicht. Das, was Sie sich gewünscht haben, ist mehr als normal.«
Endlich mal etwas, das bei ihr normal ist!
Das erste Treffen mit Patrick nach der Grillparty war etwas verkrampft. Trotzdem freute er sich sehr, als ich ihn ein paar Tage später anrief und fragte, ob wir uns sehen wollten.
»Fühlst du dich wieder etwas besser?«, fragte er mich, als er mich abends zu Hause abholte, um mit mir essen zu gehen.
»Ja«, sagte ich und versuchte ein optimistisches Lächeln. »Ich habe halt manchmal noch Phasen, in denen es mir nicht so gut geht, da verhalte ich mich wohl etwas komisch.«
»Das ist doch mehr als verständlich.« Er nahm mein Gesicht in beide Hände und küsste mich. »Nach dem, was du durchmachen musstest, wäre so mancher in der Klapsmühle gelandet.« Bei dem Wort zuckte ich zusammen, aber Patrick merkte es nicht. Er griff nach meiner Hand, führte mich zu seinem Auto und hielt mir die Tür auf.
Während der Fahrt in die Schanze, wo Patrick mir einen neuen Spanier zeigen wollte, versuchte ich angestrengt, mich auf das zu konzentrieren, was er mir über seine Arbeit an seinem neuen Roman erzählte. Ich schaffte es sogar, hin und wieder einen Kommentar abzugeben. Gleichzeitig tat ich in Gedanken die schlimmsten Dinge: Ich griff über ihn hinweg ins Steuer
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