Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles muss versteckt sein (German Edition)

Alles muss versteckt sein (German Edition)

Titel: Alles muss versteckt sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
Vom Netzwerk:
vierten auch nicht, aber ich war fest entschlossen, das irgendwie hinzukriegen. Und wenn ich wochenlang nicht mehr schlief, ich würde das schaffen, ich wollte das schaffen.
    Sobald ich wieder allein mit mir war, nahm ich sie einfach auf. Sprach alle meine kruden Fantasien in mein Handy, vertraute der kleinen Maschine alles an, was mir nachts durch den Kopf gejagt war und spielte es dann so oft ab, bis es in meinen Ohren wie ein regelrechter Witz klang.
    »Ich nehme ein Kissen und drücke es auf Patricks Kopf, setze mich darauf und halte es so lange fest, bis er aufhört, zu strampeln und zu schreien, bis sein Körper schlaff und leblos unter mir liegt. Seinen Kopf umfasse ich mit beiden Händen, dann ein kräftiger Ruck nach links, schon ist sein Genick gebrochen. Die Nachttischlampe neben seinem Bett – ihr schwerer Fuß aus Bronze liegt in meiner rechten Hand, ich hole aus und zertrümmere ihm mit einem Schlag sein hübsches Gesicht. Aus der Küche hole ich ein Messer, das lange scharfe Fleischermesser, das in dem Holzblock steckt. Dann schneide ich ihm erst die Kehle durch, danach steche ich wieder und wieder auf ihn ein. Sein Körper zuckt und blutet wie ein geschlachtetes Schwein, blutet in strömenden Fontänen aus, rotes Nass sickert in die Laken, bis Patrick ganz weiß ist, so weiß wie vorher das Bettzeug, das jetzt getränkt ist von seinem Blut.«
    Die Messerfantasie war die häufigste und auch die, die mir am meisten zu schaffen machte. Sie bereitete mir riesige Angst, so realistisch war sie. Und so gefährlich, denn während ich mir erfolgreich einreden konnte, dass ich mit bloßen Händen nicht imstande wäre, Patrick wirklich zu verletzen, sah die Sache mit dem Messer ja ganz anders aus. Und auch, wenn ich von Elli wusste, dass es ein Fehler war, die Dinge, vor denen man sich am meisten fürchtet, zu vermeiden, vermied ich sie vorsichtshalber doch . Hielt mich aus Patricks Küche fern, wenn er etwas für uns kochte, und behauptete, lieber auf dem Sofa noch etwas lesen zu wollen und darauf zu warten, dass er mir etwas servierte.
    Nicht weiter schwierig war das, denn ich hatte angefangen, mich durch Patricks Bücher zu lesen, die bei ihm fein säuberlich aufgereiht im Wohnzimmerregal standen. Damit würde ich noch viele heikle Kochsituationen überstehen können, er hatte so viele Romane geschrieben, die reichten für die nächsten zwanzig Jahre, denn ich war wirklich keine sonderlich schnelle Leserin. Gerade weil mich das, was Patrick schrieb, faszinierte, mir eine unbekannte, neue Welt eröffnete. Zumindest wäre sie bis vor einem Jahr noch neu für mich gewesen, denn meist waren es Geschichten von menschlichen Abgründen; über emotionale Untiefen und zerstörte Seelen. Keine wirklichen Krimis, aber düstere Erzählungen über Liebe und Hass, Vertrauen und Verrat, Hoffnung und Verzweiflung.
    »Wir kommst du nur auf so etwas?«, wollte ich wissen, als wir wieder einmal abends nach dem Essen nebeneinander auf seinem Sofa lagen.
    »Kann ich nicht sagen.« Er tippte sich mit einem Finger an die Stirn. »Das ist hier, alles in meinem Kopf, und ich weiß nicht genau, wo es herkommt, es ist einfach da.« Er zog mich an sich. »Schätze, ich habe eine etwas überspannte Fantasie, und die muss irgendwo raus. Schreiben ist mein Ventil.« Er stützte sich auf den Ellbogen auf, beugte sich über mich und setzte eine betont finstere Miene auf. »Besser, ich lebe sie in meinen Büchern aus als im echten Leben, nicht wahr?« Ich wollte lachen, aber es blieb mir im Halse stecken, denn für einen kurzen Moment war ich mir ganz sicher, dass er damit auf etwas anspielen wollte. Dass er es wusste, wusste, was ich die ganze Zeit vor ihm versteckte und dass er so versuchte, mich zu provozieren.
    Aber das ist ja Unsinn, beruhigte ich mich selbst, unmöglich, davon konnte er nichts ahnen, ich war mittlerweile viel zu gut darin, mich zu verstellen. Mochten die Zwänge in mir auch noch so toben, nach außen wirkte ich wie ein ruhiges Wasser, eine schauspielerische Leistung, von der ich selbst überrascht war.
    »Was machen wir morgen?«, lenkte ich vom Thema ab. »Wie wäre es mit einem Ausflug? Ich hab gelesen, dass im Hafen die Cruise Days beginnen, vielleicht gehen wir da hin?«
    »Würde ich gern«, sagte er, »aber ich fürchte, ich kann nicht. Mein Verleger kommt nach Hamburg.«
    »Schade.«
    »Vielleicht hat Vera ja Zeit und Lust? Komm«, er schob mich ein Stück von sich weg. »Rufen wir sie an und fragen sie.«
    Vera

Weitere Kostenlose Bücher