Alles muss versteckt sein (German Edition)
hatte Lust, sogar große. Wie machten aus, dass ich sie am frühen Nachmittag vom Theater abholen sollte, wo sie noch Probe für ein neues Stück hatte. Und abends würden wir bei ihr zusammen mit Patrick und seinem Verleger essen, Vera würde einen Coq au Vin kochen.
»Bist du sicher, dass ich bei einem Abendessen mit deinem Verleger nicht störe?«, fragte ich sicherheitshalber noch einmal nach.
»Quatsch!«, sagte Patrick. »Dann hätte ich dich nicht gefragt. Warum machst du dir immer so viele unnötige Gedanken?«
»Stimmt«, sagte ich, »warum eigentlich?« Und machte mir schon eine Sekunde später, als er aufstand, mir seine Hand entgegenstreckte, damit ich ihm ins Schlafzimmer folgte, gleich den nächsten unnötigen Gedanken: Der Kristallaschenbecher, der auf seinem Couchtisch stand, war solide und sehr schwer. Wenn ich hinter Patrick herging, konnte ich ihn unauffällig nehmen und ihm damit von hinten auf den Kopf schlagen, das würde vermutlich ein ganz schön dumpfes Geräusch geben. Und hässliche Blutflecken auf seinem beigefarbenen Veloursteppich. Ich kicherte angespannt.
»Was gibt es zu lachen?«, fragte Patrick.
»Nichts.« Ich starrte noch immer auf den Aschenbecher. Die Platte des Couchtischs war ebenfalls aus Glas, vielleicht würde Patrick ja auch genau in sie hineinstürzen, mit einem lauten »Rumms« würde der Tisch in Tausende von Stücke zerbersten, Patrick würde inmitten der Scherben liegen, wie in einem blutigen Mosaik, die Steinchen würden das Licht der Stehlampe neben dem Sofa reflektieren. Ein bisschen wie ein Foto von David Lachapelle oder Miles Aldridge würde das aussehen, Patrick hatte mir zwei Bände mit den bunten Bildern der Künstler gezeigt, und sie hatten mir sehr gut gefallen.
»Dann komm mit mir ins Bett«, lenkte Patrick mich von meinen Fantasiefotografien ab. »Ich bin müde.« Er zog mich an sich. »Und kuschelbedürftig.«
»Moment.« Ich machte mich von ihm los. »Geh schon mal vor, ich muss noch kurz ins Bad.« Gehorsam trottete Patrick in Richtung Schlafzimmer.
Ich wartete einen Moment, dann schnappte ich mir den schweren Aschenbecher, sah mich unschlüssig und suchend im Wohnzimmer um – dann ließ ich ihn in der Schublade des Vitrinenschranks verschwinden. In genau dem Fach, in dem auch das Foto seiner Exfreundin gelegen hatte, das dort ja auch in Vergessenheit geraten war. Aus den Augen, aus dem Sinn. Patrick würde mit Sicherheit nicht auffallen, dass ich die »Waffe« entfernt hatte. Bestimmt nicht – er rauchte ja nicht einmal. Zufrieden ging ich ins Bad, putzte mir die Zähne, dann ging ich rüber ins Schlafzimmer und krabbelte zu Patrick unter die Decke, der mich dort schon nackt und voller Vorfreude erwartete.
»Warum … «, setzte ich an, nachdem wir miteinander geschlafen hatten und nebeneinander im Löffelchen lagen, verstummte dann aber.
»Warum was?«
»Warum hast du dich eigentlich in mich verliebt?«, fragte ich ihn das, worüber ich schon seit Wochen nachdachte. »Ich bin doch nichts Besonderes. Nur eine Erzieherin, eine ausgebrannte noch dazu.«
Patrick gab mir einen Kuss in den Nacken. »Ich fand dich schon toll, als ich dich zum ersten Mal im Theater gesehen habe.«
»In der Kantine«, sagte ich.
»Nein, im Theater. Ich saß nur ein paar Plätze von dir entfernt und habe dich schon ganz zu Beginn des Stücks entdeckt.«
»Hast du?«, fragte ich überrascht. Patrick war mir überhaupt nicht aufgefallen, ich hatte ihn wirklich erst bemerkt, nachdem Vera uns einander vorgestellt hatte. Er nickte.
»Ja. Und von der Aufführung habe ich so gut wie nichts mitbekommen, weil ich dich die ganze Zeit anstarren musste.« Wieder gab er mir einen Kuss.
»Mich?«
»Ja, dich, du Dummkopf. Ich habe beobachtet, wie du total gefangen warst von dem, was da oben auf der Bühne passierte, wie du bei jeder Szene mitgegangen bist, wie du mitgefiebert hast.«
»Verstehe«, erwiderte ich spöttisch. »Und das hat dir natürlich gefallen, denn schließlich war es ja ein Stück nach einem Roman von dir!«
»Quatsch«, sagte er. »Das hatte damit nichts zu tun. Ich war einfach nur hin und weg von dieser Frau, der man ihre Gefühle so deutlich ansehen konnte. Die so offen und verletzlich wirkte, während sie gleichzeitig eine unglaubliche Stärke ausstrahlte.«
»Das alles hast du gesehen?«
»Na ja, jedenfalls habe ich es mir eingebildet. Aber vermutlich ist das alles Unsinn, und ich dachte in dem Moment nur, dass da eine echt süße Blondine sitzt.
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