Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles muss versteckt sein (German Edition)

Alles muss versteckt sein (German Edition)

Titel: Alles muss versteckt sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
Vom Netzwerk:
Patrick hob die Hände. »Irgendwie verständlich, der frühe Tod unserer Eltern und der Umstand, dass wir als Familie auseinandergerissen worden waren – das alles hat sie nicht so gut verkraftet, es hat sie durcheinandergebracht.«
    »Und dann veröffentlichst du auch noch diesen Roman … «
    »Tja.« Patrick sah mich bedauernd an. »Ich hielt es für eine tolle Geschichte, damals habe ich mir gar keine großen Gedanken gemacht.«
    »Warum«, wollte ich wissen, »hast du mir das Buch jetzt gezeigt?«
    »Verstehst du das nicht?«
    »Nein.«
    »Ich wollte eigentlich nicht, dass du es liest. Es ist ja schon so lange her, dass ich es geschrieben habe, und obwohl ich diesem Roman meine Karriere als Schriftsteller zu verdanken habe, hat die Sache damals doch auch so großen Schaden angerichtet, dass ich manchmal wünschte, ich hätte ihn nicht veröffentlicht. Aber dafür war es zu spät, das Buch war da, und fast hätte es die Beziehung zwischen Vera und mir zerstört.« Er machte eine Pause, legte sich wieder zu mir aufs Sofa und nahm mich in den Arm. »Aber als ich dich eben so verzweifelt und traurig gesehen habe … als du mir erzählt hast, wie sehr du dich für die Dinge schämst, die in deinem Kopf sind – da hatte ich plötzlich das Bedürfnis, dich auch in meinen Kopf gucken zu lassen. Dir etwas anzuvertrauen, für das ich mich auch schäme.«
    »Aber das ist nur ein Buch.«
    »Ein Buch, das aus meinem Kopf kommt, das meinen Gedanken, meiner Fantasie entsprungen ist. Verstehst du, was ich meine? Die Gedanken sind frei, so ist das eben. Und das kann Segen und Fluch zur gleichen Zeit bedeuten.«
    »Danke, dass du es mir gezeigt hast«, sagte ich.
    »Komm«, mit einem Mal sprang Patrick vom Sofa auf. »Lass uns deine Dämonen verjagen. Ein für alle Mal!«
    »Wie denn?« Ich sah ihn verblüfft an.
    »Indem wir sie rausholen, einen nach dem anderen!«
    »Und wie soll das funktionieren?« Statt mir zu antworten, griff er nach meiner Hand und zog mich hoch. »Was wird das?«, wollte ich wissen, aber er schüttelte nur stumm den Kopf.
    »Frag nicht, komm einfach mit!« Während er sprach, zog er mich an der Hand hinter sich her, durch den Flur hinüber in die Küche. Ich ahnte, was er vorhatte, und als er sich zu mir umdrehte und tatsächlich das große Fleischermesser in der Hand hielt, wich ich zurück. Aber Patrick ließ mich nicht los. »Da!« Er streckte mir das Messer entgegen. »Nimm es!«
    Ich zögerte, mein Körper begann wieder zu zittern, denn ich musste das Messer nur ansehen, es nur in greifbarer Nähe haben, schon erwachte der Dämon tatsächlich in meinem Kopf.
    »Los, Marie!« Patricks Ton war jetzt fast herrisch. »Nimm es in die Hand. Das Messer ist deine Vogelspinne, das, vor dem du Angst hast. Und du kannst diese Angst nur besiegen, wenn du dir selbst beweist, dass nichts passieren wird.«
    Ich versuchte, nach dem Messer zu greifen, aber das Zittern in mir wurde immer stärker. Schon sah ich Patricks Blut überall gegen die Küchenfliesen spritzen.
    »Ich kann nicht. Ich kann das einfach nicht.«
    »Natürlich kannst du!«
    »Nein!« Panik stieg in mir auf, mir wurde schwindelig, und ich hatte das Gefühl, jeden Moment umzukippen. »Bitte!«, flüsterte ich, »bitte lass mich!«
    »Nein, Marie!«, insistiere Patrick, als ginge es um Leben und Tod. Und genau darum ging es in diesem Moment, um mein Leben oder seinen Tod oder unser aller beider, ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, in meinem Kopf ging alles drunter und drüber.
    »Ich will dir helfen, Marie, und wenn ich dich dafür quälen muss, werden ich das tun.«
    Ein Ruck ging durch meinen Körper, wie eine gewaltige Welle aus purem Adrenalin schossen Gefühle durch meine Adern: Panik, Wut, Angst, Lust, Bitterkeit, Trauer, Hass.
    »Nimm das Messer weg!«, brüllte ich ihn an. »Ich werde dich sonst umbringen! Ich werde dir die Kehle durchschneiden und dich niedermetzeln, dich abstechen wie eine Sau!«
    »Das wirst du nicht«, sagte er ganz ruhig, obwohl ich knurrend wie ein Tier vor ihm stand. »Du wirst es nicht tun, Marie, du kannst mich nicht töten. Ich vertraue dir. Also vertrau dir auch, ein kleines bisschen nur, ich bitte dich!« Ganz langsam und vorsichtig kam er noch einen Schritt näher, die Messerklinge blitzte gefährlich auf. Ich versuchte, meinen Kopf abzuwenden, verdrehte die Augen, sodass ich die Waffe nicht mehr sehen musste.
    Aber er ließ mir keine Chance, blitzschnell ließ er meine Hand los, fasste mich unters

Weitere Kostenlose Bücher