Alles oder nichts
von ihrem Rad ab und lehnte es gegen den Zaun des Tennisplatzes. »Also gut. Wo wollen wir uns unterhalten? In Ihrem Wagen?«
Ich nickte.
Ich rückte hinter das Lenkrad, und sie nahm neben mir Platz. »Wollen Sie fragen, oder soll ich Ihnen erzählen, was ich weiß?« fragte sie.
»Erzählen Sie bitte.«
»Haben Sie eine Zigarette?«
Ich reichte ihr mein Etui. Sie nahm eine heraus, ich gab ihr Feuer, und sie lehnte sich zurück. Ich sah ihr an, daß sie etwas Zeit gewinnen wollte. Aber ich drängte sie nicht, sondern ließ sie ruhig rauchen und nachdenken.
»Es liegt schon eine ganze Zeit zurück«, begann sie schließlich.
»Was liegt eine ganze Zeit zurück?«
»Der Grund, weswegen ich so schnell das Haus verlassen habe.«
»Wie lange denn?«
»Oh, ziemlich lange.«
»Hatte es mit Ihrer Arbeit zu tun?«
»Nein, nein! Es war etwas, was schon lange vorher geschah. Darum habe ich auch den Namen Starr angenommen und mich selbständig gemacht.«
»Was war denn damals geschehen?«
»Etwas, was ich selbst vergessen will und was andere auch vergessen sollen.«
»Und was war das?«
»Darüber möchte ich nicht reden.«
»Wenn ich es wüßte, könnte ich Ihnen vielleicht helfen.«
»Ich brauche keine Hilfe.«
»Das glauben Sie. Aber Sie sind in einer ziemlichen Klemme.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Erst verschwindet der Schmuck, dann verschwindet die Sekretärin. Polizisten haben nicht sehr viel Phantasie. Sie zählen immer nur zwei und zwei zusammen, und das ergibt bei ihnen immer mindestens vier, manchmal auch sechs oder gar acht. In Ihrem Fall kommt bestimmt zwölf heraus.«
»Wenn man mich wirklich findet, wird sich herausstellen, ob diese Rechnung nicht verbessert werden kann.«
»Ich habe Sie gefunden.«
»Arbeiten Sie denn für die Polizei?«
»Nein.«
»Für wen denn?«
»Ich bin Privatdetektiv.«
»Aber für wen arbeiten Sie?«
»Für Dr. Devarest.«
»Und welchen Auftrag haben Sie?«
»Sie zu finden.«
»Nun gut, Sie haben mich gefunden. Und was geschieht jetzt?«
»Ich werde meinem Klienten berichten.«
»Aber er ist doch tot.«
»Seine Frau nicht.«
Sie schüttelte den Kopf. »Tun Sie das lieber nicht«, riet sie mir. »Ich werde Sie jetzt verlassen und mit dem Rad nach Hause fahren.«
»Und wenn ich damit nicht einverstanden bin?«
»Was können Sie dagegen tun?«
»Sie auf das nächste Polizeirevier bringen.«
»Das wird Ihnen nicht so leichtfallen.«
»Es wird Ihnen auch nicht leichtfallen, mir davonzulaufen.«
»Aber Sie wollen mich doch nicht der Polizei übergeben?«
»Das ist nicht mein Auftrag. Ich glaube, Dr. Devarest war mehr daran interessiert, Sie zu finden als den Schmuck.«
Sie blickte mich ein paar Sekunden sorgfältig prüfend an. »Was wollen Sie damit sagen?«
»In dem Safe befand sich etwas, was er wiederhaben wollte. Er glaubte, daß die Person, die den Einbruch verübte, es auf diese Gegenstände abgesehen hatte. Der Juwelendiebstahl war nichts als Tarnung, wenn der Schmuck überhaupt gestohlen wurde. Er konnte gut und gern ein Vorwand sein, um die Polizei zu alarmieren.«
»Und Dr. Devarest meinte, ich hätte die Gegenstände, die im Safe waren?«
»Offensichtlich.«
»Aber ich habe sie nicht.«
»Ich hatte den Auftrag, Sie zu suchen. Ich habe Sie gefunden. Über alles andere können Sie mit meiner Klientin reden.«
»Aber Mrs. Devarest ist doch nicht Ihre Klientin.«
Lächelnd erwiderte ich: »Doch. Sie hat mich gewissermaßen geerbt.«
»Wissen Sie, was in dem Safe war?«
»Nein.«
Sie rauchte schweigend weiter. Entweder überlegte sie, ob sie mir sagen sollte, was sie wußte, oder sie dachte über eine glaubwürdige Ausrede nach. Schließlich drückte sie ihre Zigarette im Aschenbecher aus. »Dr. Devarest hatte sehr viel für seine Nichte Nadine übrig. Nicht nur ihrer selbst wegen, sondern auch wegen ihrer Tochter Selma. Er hätte alles darangesetzt, um sie vor einem Mißgeschick zu bewahren.«
Sie legte eine Pause ein und blickte zu mir herüber. »Hat er Ihnen etwas darüber gesagt?«
»Jetzt sind Sie an der Reihe zu reden. Sprechen Sie ruhig weiter.«
»Sie wollen mir also nicht sagen, ob er Ihnen etwas darüber mitgeteilt hat?«
»Nein.«
»Wollen Sie mir auch nicht sagen, ob er nichts davon erwähnt hat?«
»Nein. Was ich weiß, behalte ich für mich, damit ich feststellen kann, ob Sie mir die Wahrheit sagen.«
»Ich weiß nicht genau, was hinter ihrer Scheidung steckte, aber Walter Croy, Nadines früherer Mann, muß ein
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