Alles oder nichts
entkleidet. Ihre Strümpfe lagen auf dem Boden, die Kleider waren auf einen Stuhl geworfen, über dessen Lehne ein altmodisches Korsett hing, das mit rosa Schnüren geschlossen wurde. Sie befand sich zweifellos nicht in der Aufmachung, in der sie sonst männliche Besucher empfangen hätte.
Ihre vorstehenden Augen hielt sie mühsam auf mich gerichtet, als falle es ihr schwer, mich zu erkennen. Ihre Stimme klang etwas benommen, als sie fragte: »Wie heißen Sie doch noch?«
»Lam, Donald Lam.«
»Ja, richtig. Ich hatte es vergessen. Es ist der Schreck.«
Ihre Augenlider fielen herunter, aber mit einiger Mühe gelang es ihr, sie wieder aufzuschlagen. »Ich möchte, daß Sie weiter für mich arbeiten, Mr. Lam.«
»Mit welchem Auftrag?«
»Sie sollen diesen Diebstahl aufklären. Wissen Sie, was diese Männer behauptet haben?«
»Nein. Was sagten sie?«
»Daß Hilton die Juwelen selbst gestohlen habe ...Er war es nicht...Sein Name muß von dem Verdacht gereinigt werden ...Er hatte keine finanziellen Sorgen, er verdiente gut, er war mit vierzigtausend Dollar versichert, bei Tod durch Unfall verdoppelt sich die Versicherungssumme...Wollen Sie das für mich erledigen, Mr. - wie war doch noch Ihr Name?«
»Lam.«
»Sie übernehmen den Auftrag doch, Mr. Lam?«
»Ich werde mich sofort an die Arbeit begeben«, beruhigte ich sie.
»Besuchen Sie mich bitte morgen vormittag.«
»Gern, wenn Sie es wünschen.«
»Nicht früher als halb elf«, verfügte Dr. Gelderfield in knappem, beruflichem Ton.
Sie sah ihn an. Ihre Stimme klang jetzt sehr belegt. »Du willst, daß ich schlafe, nicht wahr, Warren?«
»Ja, du mußt schlafen, Colette.«
»Schlafen Sie nur ruhig, Mrs. Devarest«, redete ich ihr zu. »Unsere Agentur wird den Fall in die Hand nehmen. Wir werden Tag und Nacht an der Aufklärung arbeiten. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Legen Sie sich zur Ruhe, und erholen Sie sich.«
Dr. Gelderfield zog ihr zwei der Kissen unter dem Rücken fort. »Das ist das Beste, was du tun kannst, Colette. Überlasse alle Sorgen diesem jungen Mann. Jetzt ist alles geregelt, und du brauchst nicht mehr daran zu denken. Vergiß alles.«
»Alles vergessen...«, murmelte sie schläfrig.
Dr. Gelderfield nickte mir zu. Auf Zehenspitzen verließ ich das Zimmer.
Mrs. Croy wartete noch auf mich. »Was wollte sie von Ihnen?« fragte sie eifrig.
»Daß ich morgen um halb elf zu ihr kommen soll.«
Einen Moment lang flackerte der Ärger in ihrem Gesicht auf. »Sie sind ein Witzbold«, sagte sie erbost und drehte mir den Rücken zu.
4
Mein Wecker läutete um Viertel vor sechs. Ich war vom Schlaf noch völlig benommen. Um ganz wach zu werden, duschte ich kalt. Dann rasierte ich mich, zog mich an, ging zur Garage, um den Wagen zu holen, und begann eine Runde um den Stadtpark zu drehen. Es war ziemlich langweilig, aber da fast noch kein Verkehr herrschte, kam ich ohne besondere Schwierigkeiten schnell vorwärts. Der Sturm hatte sich schon während der Nacht gelegt, und die frühe Morgenluft war frisch und kühl. Selbst in den engen Straßen hatte die Luft noch eine Frische. Doch bald würde die Hitze den Asphalt aufweichen.
Auf den Tennisplätzen im Park spielten bereits ein paar Leute. Es waren auch Frauen dabei. Manche blickten mir neugierig nach, als ich langsam an ihnen vorüberfuhr.
Am Griffith-Park traf ich schließlich auf ein gemischtes Doppel. Eine der Frauen erregte mein Interesse. Sie hatte etwas von der Elastizität und der Spannung einer Stahlfeder an sich. Sie warf den Ball hoch in die Luft, bog ihren kräftigen Körper weit zurück und legte ihre ganze Kraft in ihren Aufschlag. Dieser kam haargenau, der Ball prallte flach und wuchtig vom Boden ab und riß ihrem männlichen Gegenspieler fast den Schläger aus der Hand. Aber nach einigen Aufschlägen hatte er sich auf sie eingestellt und schlug die Bälle kräftig zurück. Hieran erkannte ich, daß sie zuvor noch nicht miteinander gespielt haben konnten.
Als ihr dann die Frau gegenüberstand, mäßigte sie die Wucht ihrer Aufschläge, und daraus folgerte ich, daß sich auch die beiden Frauen fremd waren.
Aber offensichtlich kannte die .Frau, für die ich mich interessierte, ihren Partner. Er war ein guter, ausdauernder Spieler.
An dem Drahtzaun, der den Platz einfaßte, lehnte ein Fahrrad, über dessen Lenkstange ein Pullover hing.
Ich hielt meinen Wagen am Straßenrand an, stellte den Motor ab, zündete mir eine Zigarette an und sah den Spielern zu. Um Viertel vor
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