Alles oder nichts
elender Schuft sein, der ihr das Leben vergällt hat. Er verlangte die Erziehungsgewalt über Selma, zum mindesten ein Miterziehungsrecht. Er hatte sich hinter seinem Anwalt verschanzt und eine Reihe von Eingaben an die Gerichte geschickt. Dann hörte plötzlich alles auf, und Walter ließ nichts mehr von sich hören. Das war etwa zur gleichen Zeit, als Dr. Devarest sich den Safe in sein Arbeitszimmer einbauen ließ.«
»Haben Sie außerdem noch andere Anhaltspunkte?«
»Ja.«
»Welche?«
»Nun, Kleinigkeiten. Gelegentliche Andeutungen.«
»Sie glauben also, daß Dr. Devarest dafür sorgte, daß Walter Croy es unterließ, Nadine weiter zu bedrängen?«
»Ja.«
»Auf welche Weise?«
»Das weiß ich nicht. Dr. Devarest hatte irgendwelches Material gegen Walter Croy in der Hand, das er wohl als Druckmittel benutzte.«
»Das ist interessant.«
»Nicht wahr?« stimmte sie mir bei.
»Als dann der Safe geplündert wurde, machten Sie sich einfach aus dem Staube?«
»Ja.«
»Aber Sie spielten nachher noch mit Dr. Devarest Tennis?«
»Wann nachher?«
»Nachdem Sie sich abgesetzt hatten.«
»Nein, das war vorher.«
»Ah, Sie haben also mit ihm Tennis gespielt?«
»Das habe ich Ihnen doch schon gesagt.«
»Sie haben aber nicht gesagt, daß Sie am Mittwoch morgen mit ihm Tennis spielten.«
»Es war auch nicht am Mittwoch. Es war am Dienstag. Am Mittwoch ging er fischen. Ich verließ sein Haus am Dienstag nachmittag.«
»Wo wohnen Sie jetzt?«
»Das geht Sie nichts an. Und wenn Sie Ihren Verstand gebrauchen, behalten Sie das Ganze für sich. Sie sollten Mrs. Devarest erklären: Durch den unglücklichen Tod Ihres Gatten ist mein Auftrag hinfällig. Ich nehme nicht an, daß Ihnen daran liegt, mich weiterzubeschäftigen und dafür zu bezahlen, daß ich Ihren Schmuck suche. Auf der anderen Seite hatte ich aber von Dr. Devarest einen festen Auftrag. Ich schlage Ihnen deshalb vor, die ganze Sache fallenzulassen. Sie zahlen mir eine Entschädigung, und wir betrachten den Fall als erledigt.«
»Warum sollte ich das tun?«
»Weil es für jeden der Beteiligten das beste wäre.«
»Offensichtlich war Dr. Devarest der Meinung, daß Sie im Besitz der Sachen sind, die er wiederhaben wollte.«
»Nein. Da täuschen Sie sich. Dr. Devarest glaubte, daß ich wüßte, wer es hat«, antwortete sie.
»Wissen Sie es denn?«
Sie zögerte einen Moment. »Nein«, erwiderte sie dann.
»Sie haben auch keinen Verdacht?«
»Nein.«
»Wenn Dr. Devarest noch lebte, würden Sie nicht so schnell mit Nein auf diese Fragen geantwortet haben, wie?«
Sie blickte mich an. »Haben Sie noch eine Zigarette?«
Ich reichte ihr mein Etui. Als ich ihr Feuer gab, merkte ich, daß sie angestrengt nachdachte. Unvermittelt sagte sie: »Hören Sie zu. Ich muß duschen und frühstücken. Sie wollen mich nicht der Polizei übergeben, aber Sie wollen mich auch nicht nach Hause lassen. Ich mache Ihnen einen Gegenvorschlag: Ich sage Ihnen meine Adresse, und wir trennen uns jetzt.«
»Wo wohnen Sie denn?«
»Im Bel Aire. Nur ein paar Straßen von hier entfernt in Richtung Vermont.«
»Wohnen Sie allein?«
»Nein, mit einer Freundin.«
»Sie hatten doch ein Zimmer im Haus von Dr. Devarest?«
»Ja, ich mußte dort wegen meiner Arbeit wohnen. Aber ich hatte jede Woche einen Tag frei, das hieß praktisch, daß ich zwei Nächte außerhalb des Hauses verbringen konnte.«
»An welchen Tagen hatten Sie immer frei?«
»Am Mittwoch. Dienstag abend verließ ich das Haus und kam erst Donnerstag früh zurück.«
»Dr. Devarest wollte sich das Leben doch etwas leichter machen, stimmt’s? Wenn ich mich nicht irre, versuchte er auch, mittwochs seinen freien Tag zu nehmen.«
Sie blickte mich kühl an. »Soll das ein Witz sein, oder wollen Sie damit versuchen, etwas aus mir herauszulocken?«
»Womit käme ich denn am besten weiter?«
»Auf diese Tour überhaupt nicht«, antwortete sie scharf und öffnete die Wagentür. Ich ließ sie aussteigen. Sie ging zu ihrem Rad, stieg auf und fuhr, ohne sich umzublicken, rasch davon. Ich fuhr hinter ihr her und behielt sie ständig im Auge. Sie fuhr bis zum Bel-Aire-Apartmenthaus, ließ ihr Rad am Gehsteig stehen und ging in das Gebäude.
Ich fand einen Parkplatz für den Wagen und eine Telefonzelle. Von dort rief ich Elsie Brand, Berthas tüchtige und verschwiegene Sekretärin, an. »Haben Sie schon gefrühstückt, Elsie?« fragte ich.
»Ich bin gerade fertig.«
»Haben Sie Zeit, etwas für mich zu
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