Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
gestalten konnte. Die »wissenschaftlichen« Studien schienen nicht dazu bestimmt zu sein, die Dinge klarer zu machen, sondern uns so weit zu verwirren und zu erschöpfen, dass wir einfach so weitermachten wie bisher. »Stillstand durch Vernebelung«, wie Michelle dazu sagte.
In der
New York Times
stand ein Artikel über den plötzlichen Boom, allen nur erdenklichen Produkten ein »grünes« Image zu verpassen. Die Firmen klebten auf alles ein Öko-Etikett, selbst wenn es sich um Kettensägen zum Bäumefällen handelte, die weniger Benzin verbrauchten, oder um hochgiftige Insektenvernichtungsmittel ohne FCKW. In diesem »Öko-Dschungel« herauszufinden, welche Produkte nun tatsächlich weniger umweltschädlich waren, schien auf schnellstem Weg zu einem Magengeschwür zu führen.
Dann kam mir ein Gedanke: Anstatt verzweifelt nach einem Weg durch dieses Labyrinth zu suchen, wäre es nicht einfacher, aus dem Labyrinth herauszuklettern? Vielleicht lag die Lösung ja gar nicht darin,
andere
Produkte zu kaufen. Vielleicht ging es – zumindest für wohlhabende Bürger in den Vereinigten Staaten und Westeuropa – eher darum,
weniger
Produkte zu kaufen. Wie schon das alte Tao Te King sagt: »Der Mann, der weiß, dass genug genug ist, wird immer genug haben.«
Wie wäre es mit einem Stofftaschentuch?
Ich lag im Bett und spielte mit Isabella, und ich hatte buchstäblich die Nase voll. Während ich darüber brütete, dass ich noch ein verbotenes Stück Klopapier, noch einenStreifen toten Baum würde gebrauchen müssen, erinnerte ich mich plötzlich an die Küchenschublade voller Geschirrtücher und Stoffservietten. Hochzeitsgeschenke. Geburtstagsgeschenke von Bekannten. Dinge, die wir nie benutzten, die wir aber auch nicht einfach wegwerfen mochten. Ich könnte eins davon als Taschentuch nehmen und dann in die Wäsche tun.
Ich sprang aus dem Bett, ging in die Küche, zog ein rot bedrucktes Stück Stoff heraus, das von da an als mein »Schnupftuch« galt, und putzte mir die Nase. Welch eine Erleichterung! Nicht nur in physiologischer, sondern auch in philosophischer Hinsicht.
Denn eins war mir in diesem Moment klargeworden: Das Bedürfnis, sich die Nase zu putzen, war kein Ausdruck von extremem Egoismus, wie ich angenommen hatte, als ich aufstand. Es ging nicht um den Konflikt zwischen meinem »egoistischen« Bedürfnis, mir die Nase zu putzen, und dem »altruistischen« Bedürfnis, den Planeten zu retten. Wenn ich also den Konflikt zwischen dem Einzelnen und dem großen Ganzen als Ausgangspunkt für mein Experiment nahm, war ich auf dem falschen Gleis.
Die Polarisierung von Egoismus und Altruismus taucht die Diskussion über Umweltschutz und jede andere Form gesellschaftlicher Veränderung in ein gefährliches Licht. Die Leute argumentieren, vielleicht sogar zu Recht, wenn man das Überleben des Planeten dem Egoismus der Menschen gegenüberstelle, zöge der Planet jedes Mal den Kürzeren. Aber genau genommen geht es überhaupt nicht um den Konflikt zwischen menschlichem Egoismus und Altruismus. Es geht darum, alte Gewohnheiten und Methoden, die für uns als Spezies nicht mehr funktionieren, zu ersetzen durch neue Gewohnheiten und Methoden, die besser funktionieren.
Was mir außerdem klarwurde: Das nun folgende Jahr meines Selbstversuchs sollte keine Zeit der Askese werden. Askese bedeutet Verzicht auf weltliche Genüsse. Es bedeutet, nicht zu essen, obwohl man hungrig ist. Es bedeutet,sich nicht die Nase zu putzen, obwohl man kaum noch Luft bekommt. Es bedeutet, seine menschlichen Bedürfnisse und Sehnsüchte zu verleugnen. Für manche Leute bedeutet es auch die Überzeugung, dass menschliches Verlangen verdammenswert ist.
Das ist nicht mein Ding. Ich bin Optimist, was die menschliche Natur angeht. Unsere Sehnsüchte sind untrennbar verbunden mit unserem Wesen und dadurch grundsätzlich etwas Gutes (auch wenn man sich nicht unbedingt von ihnen beherrschen lassen sollte). Mir ging es nicht um die Frage, wie man menschliche Sehnsüchte und Begierden unterdrückt, sondern darum herauszufinden, ob unsere Sehnsüchte und Begierden unser Leben in eine Richtung lenken, die uns glücklich macht – da hatte ich nämlich so meine Zweifel. Mein Plan war, aus der »hedonistischen Tretmühle« herauszukommen.
Genau zu dem Zeitpunkt, als ich mit meinem Experiment begann, beauftragte mich der Herausgeber einer Zeitschrift, einen Artikel über die Psychologie des menschlichen Glücks zu schreiben. Wie ich bei den Recherchen
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