Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
allem um die Menschen. Um die Vision eines besseren Lebens – für die Menschen.
Paul Steely White, der Leiter von Transportation Alternatives, geht seit einem Radunfall auf den gefährlichen New Yorker Straßen am Stock. Wir standen auf der dicht befahrenen Sixth Avenue, und er sprach nicht von weniger Autos, sondern von mehr Bäumen und Kindern, die auf dem Gehsteig spielen, von Nachbarn auf Bänken und von dem, was er »lebendige Straßen« nannte.
Christine Datz-Romero, Leiterin des Lower East Side Ecology Center, schilderte mir ihre Vision, Dinge von Anfang an so herzustellen, dass wir sie nicht irgendwann wegwerfen und neu kaufen müssen, sondern immer weiter verwenden können. Damit würde das Müllproblem gelöst, und wir hätten jede Menge Energie für anderes frei.
Kate Zidar, New Yorker Wasseraktivistin und Mitbegründerin von SWIM (Storm Water Infrastructure Matters), einer gemeinnützigen Dachorganisation zum Schutz der Gewässer, lud mich zu einer Ruderfahrt durch den schmutzigen Harlem River in der South Bronx ein, zusammen mit ein paar Jugendlichen von Youth Ministries for Peace and Justice, einer ebenfalls gemeinnützigen Organisation, dieden jungen Leuten beibringt, sich aktiv für ihre Gemeinde einzusetzen.
Selbst in diesem Dreck schwammen Fischschwärme an uns vorbei, und die achtzehnjährige Xyomyra, die Kapitänin meines Bootes, erklärte mir, während ihre Eltern davon geträumt hatten, aus ihrem Viertel wegzukommen, träume sie davon, ihr Viertel schöner und lebenswerter zu machen. Was, wenn wir in diesen Flüssen schwimmen könnten? Was, wenn wir sie säuberten, nicht nur für die Fische, sondern auch für uns?
Alexie Torres-Flemming, die Gründerin und Leiterin von Youth Ministries for Peace and Justice, erzählte mir, wie sie weinend neben ihrem Sohn im Bett gelegen hatte, während er mit einem Asthmaanfall rang, der durch die Abgase in ihrem Viertel ausgelöst worden war. Sie träumte von einer Welt, in der unsere Kinder atmen können.
Und während ich all diese Menschen kennenlernte und mit ihnen sprach, wurde in mir das Gefühl immer stärker, dass ich auf dem Holzweg gewesen war. Wozu hatte ich mein Leben bisher genutzt? Bis zu diesem Jahr, so schien es mir, hatte ich mich von dem abgelenkt, was wirklich wichtig war. Erst diese Menschen, die ihr halbes Leben damit zugebracht hatten, die Welt für andere Menschen ein wenig besser zu machen, hatten mir eine Ahnung davon gegeben, worum es im Leben wirklich ging.
Der Sommer ging zu Ende. Die Dunkelheit kam. Es wurde sehr viel schwieriger, ohne Licht zu leben, das Projekt näherte sich dem Ende, und ich war verwirrt. Die Arbeit bei den gemeinnützigen Organisationen hatte mir, was vielleicht nicht überraschend war, ein stärkeres Verantwortungsgefühl gegeben. Ich wollte weiter meinen Beitrag leisten, aber gleichzeitig musste ich zu meiner Scham erkennen, dass ich mich auf das Ende des Projekts freute.
Ich war nicht versessen darauf, wieder Müll zu produzieren, neue Sachen zu kaufen oder verpackte Lebensmittel vom anderen Ende der Welt zu essen. Aber ich war es leid,nicht reisen zu können. Ich war es leid, ohne Strom auskommen zu müssen. Die abnehmenden Sonnenstunden führten dazu, dass das Solarpaneel nicht mehr genug Strom produzierte, um abends noch lesen zu können oder zu Hause zu arbeiten. In einer Woche, als es vier Tage hintereinander regnete, hatten wir überhaupt keinen Strom.
Ich war durcheinander, und ich hatte ein schlechtes Gewissen. Denn nach dieser langen Zeit fragte ich mich mit Sorge, was die Welt von mir denken würde, wenn ich nicht bereit war, alle Elemente meines neuen Lebensstils beizubehalten. Welche Schlüsse würden die Leute daraus ziehen? Ich hatte das alles unter den Augen der Öffentlichkeit getan, da konnte ich mich nun nicht einfach unbemerkt davonschleichen.
Michelle und ich waren uns einig, dass wir auch weiterhin gut auf einiges verzichten konnten. Aber zum Beispiel nicht aufs Fliegen. Ein Langstreckenflug erzeugt genauso viel CO2 wie die Autokilometer, die ein Amerikaner im Schnitt pro Jahr verfährt. Und ich fühlte mich mies, weil ich nicht bereit war, zum Öko-Märtyrer zu werden.
Doch gleichzeitig denke ich, dass der Weg nach vorn nicht nur aus einem gesenkten Ressourcenverbrauch besteht. Die meisten religiösen Philosophien fordern uns auf, weniger Schlechtes zu tun, ja, aber sie sagen auch, tue mehr Gutes. Es gibt eine Grenze dafür, wie viel weniger Schlechtes ich tun kann. Aber
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