Alles paletti

Arik gesagt, dass ihr nach Chicago kommt? Seid ihr völlig bescheuert?«
    »Der Kerl ist echt eine Schlange.«
    »Na klar ist er eine Schlange. Ist dir das neu?«
    »Nein, aber gerade erst vor zwei Tagen hat er über Chaim Sachen gesagt … so dass ich einfach nicht gedacht hätte, dass er so leicht auf die andere Seite überlaufen würde. In Wahrheit haben wir Iti gesucht. Es war reine Verblödung, dass wir’s nicht weiter probiert haben. Izzi war gestresst. Er war ziemlich von der Rolle nach den Russen«, erklärt Jonsy.
    »Welche Russen?«
    »Hab ich dir das nicht erzählt?«
     
    Für Jonsy ist es klar: Sie müssen wieder die Richtung ändern, nach Süden fahren. In Saint Louis kann man die 55er nehmen, die bis nach Memphis, nach Louisiana hinunterführt, wohin man will. Die Frage ist, was er Izzi sagen soll.
    Er ruft Chen noch einmal an, fragt sie, was sie dazu meint. Sie antwortet sofort: »Klär das mit ihm, du hast keine Wahl. Aber gib ihm ein Bonbon dazu. Zum Beispiel, wenn ihr innerhalb von zwei Tagen keine Käufer für die Automaten findet und sich nichts bewegt, dann ladet ihr die Fracht aus und steigt in ein Flugzeug, oder was weiß ich.« Jonsy sagt, sie habe recht, sie wisse immer, was zu tun sei, was würde er ohne sie machen?
Sie erwidert tiefernst: »Warum hast du dann beschlossen, ohne mich zu sein?« Er schluckt einen Kloß im Hals hinunter und erwidert: »Was soll das heißen?« Sie schweigt. Einen Moment darauf sagt sie: »Also los, red mit ihm. Passt auf euch auf.«
    »Ich will nach Süden«, verkündet Jonsy in dem Moment, in dem er Izzi erblickt.
    »Wie bitte? Was ist mit Chicago? Arik wartet.«
    »Chicago … ich glaub nicht … ich weiß nicht, ich traue ihm nicht, Süden kommt mir richtiger vor.«
    »Richtiger? Es gibt kein richtiger«, protestiert Izzi. »Wir müssen unseren Arsch retten. Sie werden uns in der Luft zerreißen, wenn wir weiterfahren.«
    »Arik, dieser miese Hund, hat Chaim geflüstert, dass wir unterwegs sind. Chaim ist auf dem Weg nach Chicago. Wir ändern die Richtung.«
     
    Der Highway Nr. 55, der von Saint Louis parallel zum Mississippi nach Süden führt, ist eine schöne, ruhige Straße. Es gibt eine Menge Wasser auf der Strecke, im Mississippi und in den zahlreichen Seen. Die schwarzen Wolken verwandeln sich in graue und dann in weiße, helle Lücken reißen auf, die Sonne fängt an, ab und zu durchzublitzen, bis sich alles zu strahlendem Blau gewandelt hat. Die eisigen Steppen des Mittleren Westens zerrinnen, je weiter man nach Süden hinunterkommt. Zwei Farmer stehen neben runden Silos in einem kleinen Dorf mit Holzzäunen und kahlen Bäumen. Jonsy hält wie üblich in jedem Staat an, um den Boden unter seinen Füßen zu fühlen.
    Schicht um Schicht entblättern sie sich - zuerst die dicken Jacken, dann schalten sie die Heizung aus. Die Pullover sind als Nächstes an der Reihe, und sie öffnen die Fenster. Noch ein
Tag, und es läuft bereits die Klimaanlage, und sie haben nur noch T-Shirts an. In Texas werden sie zu schwitzen anfangen.
    Die Orte, die sie passieren, haben Namen wie Bethel, Jericho, London, London Bridge, Greenburgh. Izzi fällt plötzlich ein, dass es in Greenburgh einen gibt, der mit ihm in der Armee war. Er hatte einen riesigen Penis. Mitten in Missouri gibt es einen Ort namens Mount Zion.
    Der Radioknopf dreht sich, bleibt auf Celine Dion stehen.
    Sonnenblumenkerne knacken ist das beste Mittel gegen Einschlafen. Die Mechanik des Knackens, die Beschäftigung der Hände, Lippen und Zähne halten dich wach. Der salzige Geschmack verleitet dich ständig zu noch einem Kern und noch einem. Weitere Methoden, um wach zu bleiben, sind Rauchen, Kaffee, Limonade, Eiswürfel lutschen, das Fenster einen schmalen Spalt öffnen, das Radio auf Talksendungen stellen, die Konzentration erfordern - ein Zahnexperte beantwortet Fragen zu Spangen für Mädchen und zu Zahnweißmachern, Nachrichten über El Niño, die Chicago Bulls haben Miami 106:91 geschlagen. George Michael ist erwischt worden, wie er irgendjemandem einen geblasen hat. In Nordirland gibt es ein Friedensabkommen.
     
    Jonsy denkt, wir haben uns ein bisschen Zeit erkauft, aber wir müssen aufpassen. Mit diesem Lastwagen ist es, als würde man mit einem riesigen Buckel auf die Straße gehen und hoffen, dass es niemandem auffällt. Das ist wie eine Nadel im Heuhaufen, an der allerdings ein buntes Band dranhängt.
    Er erkundigt sich an der nächsten Tankstelle, wo sich eine Werkstatt für ihre Zwecke