Alles paletti
die Wüste hinaus.
Jonsy und Izzi drehten durch.
ICH HABE KEINE AHNUNG
Als Chaim den Telefonhörer auflegte und sich umdrehte, stieß er einen entsetzten Schrei aus.
Er sah Jake am Boden liegen, der schwarze Chevi Suburban stand mit offenen Türen da, das Schild der Raststätte schaukelte im Wind. Ein bisschen Staub, ein bisschen Nacht. Sonst nichts.
Kein Lastwagen in Sicht. Kein Jonsy und Izzi. Und kein Schlomi.
»Was zum Teufel …« Er ging langsam auf das Auto zu.
Jake versuchte stöhnend aufzustehen. Chaim streckte ihm unwillig die Hand hin. Jake blickte Chaim mit müden Augen an, ohne etwas zu sagen. Chaim fragte ihn nicht einmal, was passiert war.
Er ging zum Chevrolet. Wühlte in seinen Taschen, tastete anschließend mit einer Hand zum Anlasser. Dann inspizierte er das Handschuhfach, suchte den Asphalt ab. Er begriff ziemlich schnell. Zuerst warf er die Türen des Wagens, eine nach der anderen, mit aller Gewalt donnernd ins Schloss. Dann wanderte sein Blick zu Jake und von ihm zu Wendy, seinem Auto. Er konnte nicht umhin, das Gesicht zu verziehen.
Jake sagte: »Vergiss es, ich bin fertig mit dieser Geschichte. Jetzt habe ich auch keinen Revolver mehr. Ich hab die Schnauze
voll von euch allen. Wenn ihr etwas braucht, seid ihr meine Freunde, und eine Sekunde später dreht ihr mir den Rücken zu. Ihr seid alle gleich. Alles die gleiche Scheiße.«
Chaim gab keine Antwort. Er trat an den linken Vorderreifen des Chevrolets.
»Ich sag’s dir«, fuhr Jake fort. »Vergiss es. Diese Schrottkiste wird es jetzt sowieso nirgendwohin mehr schaffen, ganz bestimmt nicht nach Vegas … wie weit ist das, vier, fünf Stunden von hier? Neumexiko, Arizona, Nevada … das hält sie nicht durch, keine Chance.«
Chaim lehnte sich an den Chevrolet, spulte im Kopf die Möglichkeiten ab. Man müsste Avis anrufen, darauf warten, dass sie einen Ersatzschlüssel aus Dallas brachten … shit, es blieb keine Wahl …
»Nein, ich hab euch nämlich durchschaut, euch Israelis. Ihr nützt bloß aus, was und wo ihr könnt, und dann schmeißt ihr’s weg nach Gebrauch. Ich will nichts mehr mit euch zu tun haben. Ich werde nach Minnesota zurückfahren, ganz langsam …«
Fünf Minuten darauf - beide saßen in Wendy, mit Kurs nach Westen - fragte Jake Chaim: »Und was jetzt?«
Chaim antwortete: »Las Vegas.«
»Und was sollen wir in Vegas?«
»Ich habe keine Ahnung.«
Das Geschrei der Kinder im Swimmingpool weckte sie. Oder vielleicht war es das Donnern des Zuges, der das Excalibur mit den umliegenden Hotels verband. Es war etwas schwierig zu differenzieren, aus einem von Stoliczna durchtränkten Schlaf heraus. Genauso gut konnte es das grelle Licht der Sonne gewesen sein, die plötzlich herauskam, das ohnehin geheizte
Zimmer erhitzte und die Schweißdrüsen der drei Russen zu erhöhter Produktion antrieb.
Vladimir, Pozailov und Popeye krabbelten aus ihren Betten und spähten hinaus. Pozailov rieb sich die verletzte Schulter, die den schönen Tag mit schmerzhaften Stichen empfing.
Am Abend zuvor waren sie nach dem Essen an die Bar des Kasinos gegangen und hatten weitergetrunken. Popeye hatte ein bisschen an den Mega-Bucks-Automaten gespielt. Er ließ sich einen Fünfzig-Dollar-Schein in Ein-Dollar-Münzen zerkleinern und trieb sich mit einem Plastikbecher voller Geldstücke zwischen den Spielautomaten herum. Irgendwann landete er einen Treffer - und erntete einen Hagel von Münzen. Pozailov, der neben seinem Kameraden stand, hob sein Wodkaglas und schrie: »Auf König Popeye!« Das Geklingel der Münzen hielt an, Popeye hatte seinen Becher schon aufgefüllt, und immer noch purzelten Münzen in die Schale.
Nach einer Stunde war nichts mehr davon übrig.
Pozailov bat die Barfrau - eine Russin, mit der er den ganzen Abend etwas anzufangen versuchte -, Popeye ein Gläschen einzuschenken. Er sagte: »Nicht so schlimm, Popeye, du hast uns viel Ehre gemacht.« Sein Gesicht war gerötet, er war fröhlich. Popeye setzte sich mit bekümmerter Miene neben ihn. Irgendwo in der Halle hagelte es die Münzen anderer Gewinner.
»Wo ist Vladimir?«, fragte Popeye.
»Längst schlafen gegangen, wir können uns austoben. Um eins gibt es hier eine Vorstellung, aber im MGM gibt es eine bessere, mit echten Löwen. Willst du hingehen?«
Nein, Popeye hatte dafür keine Energie mehr. Er stürzte das Wodkaglas mit einem Schluck hinunter.
Die Barfrau näherte sich. Pozailov sagte zu Popeye auf Russisch:
»Was’ne Schönheit, wa’?« Sie
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