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Alles paletti

Titel: Alles paletti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Assaf Gavron
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Brille nur mit Mühe überstanden, bei der zweiten fliegt sie davon. Er fühlt sich schrecklich schlecht. Das ist das blanke Grauen. Und es ist noch nicht zu Ende.
    Popeye brüllt die ganze Fahrt hindurch. Vladimir bleibt stumm. Sein Blick hüpft zur Straße, zur Freiheitsstatue, über ein Las Vegas, das auf- und niederschwankt, zur Seite kippt und sich vor seinen Augen auf den Kopf stellt. Er ist sicher, dass jemand über ihn wacht. Eine Jemandin. Betty. Er ist überzeugt,
dass sie ihn zur Berg- und Talbahn geleitet hat. Heute früh ist er gut gelaunt aufgestanden und hat zu den anderen gesagt, dass sie zur Achterbahn mitkommen sollen, und siehe da - da sind die Israelis, die er so gesucht hat. Das war sie, sie kümmert sich von oben um ihn, ganz bestimmt. Seine Augen füllen sich mit Tränen des Glücks, der Liebe und Sehnsucht. Seine Brust zerspringt fast während des steilen Absturzes.
    Psych spürt, wie ihm der Brechreiz sauer im Hals aufsteigt.
    Izzi denkt, das ist gruslig, wenn es nur schon zu Ende wäre, aber es soll nie aufhören. Möglicherweise fliegen ein paar seiner Tränen in den Kehren mit dem Wind und treffen Popeyes Wange.
    Zu guter Letzt gleitet der Zug wieder in das Gebäude und hält an. Die Schranken werden sich automatisch in dem Moment heben, in dem der Betreiber auf den Knopf drückt.
    Jonsy sagt: »Sobald sie hoch sind, rennen wir zum Aufzug.«
    Die Herzen hämmern, den ganzen Zug entlang, in allen Waggons. Angespanntes Schweigen, das Adrenalin schwappt hoch.
    Waschschsch … die Schranken heben sich.
    Vladimir zieht die Pistole.
    Ebenso Psych.
    Die Israelis springen auf und rennen in Richtung Aufzug. Die Russen ihnen auf den Fersen. Die spanische Passagierin aus dem dritten Waggon gewahrt die Pistole in Vladimirs Hand und schreit auf. Jonsy brüllt in die Luft: »Schneller!« Er rast um die Ecke, da ist der Aufzug, daneben ein Wächter. Jonsy stößt Chen hinein, Izzi und Schlomi stürzen eine Sekunde danach hinein. Als die vier drinnen sind, schreit Jonsy dem Wächter zu: »Sie versuchen uns zu killen, sie haben eine Pistole,
sofort runterfahren!« Der Wächter grinst spöttisch und sagt: »Wissen Sie, wie oft ich diese Stor…«
    Jonsy wirft sich auf ihn, bringt ihn zu Fall, springt wieder in den Fahrstuhl und sucht den Knopf, mit dem sich die Tür schließen lässt, findet ihn, drückt drauf, sieht, wie der Wächter sich erhebt, während die Tür quälend langsam zugeht und er wie ein Wahnsinniger keucht. Schlomi setzt die Kipa wieder auf, nicht ohne sie vorher zu küssen, und seine Lippen bewegen sich murmelnd. Izzi sinkt in der Ecke in die Knie und birgt das Gesicht in den Händen. Jonsy schreit: »Schlomi, hast du den Revolver dabei?« Schlomi erwidert: »Shit!« Die beiden Türflügel berühren einander fast schon. Izzi späht einen Augenblick zwischen seinen Fingern hindurch, Jonsy setzt schon zu einem Lächeln an, doch da - eine Sekunde bevor die Türflügel aufeinandertreffen, einen Sekundenbruchteil, bevor sie auf dem besten Wege sind zu entkommen - zwängt sich eine Hand in den Spalt und stoppt sie. Eine große, breite Hand. Mit rötlichen Haaren auf dem Handrücken. Und tätowierten Fingern. Die Türflügel versuchen sich dennoch zu schließen, quetschen die Hand. Jonsy, Schlomi, Chen und Izzi sehen mit gebanntem Entsetzen zu, unfähig, zu reagieren, außerstande, etwas dagegen zu unternehmen.
    Die Türen quietschen und öffnen sich wieder.
    Izzi hebt die Hände. Seine Beine zittern - er ist nicht sicher, ob das von der Achterbahn oder von der Situation herrührt.
    Pozailov betritt den Aufzug mit gezogenem Revolver und breitem Grinsen. Vladimir und Popeye folgen ihm dicht auf dem Fuß.
    Vladimir sagt lächelnd auf Hebräisch: »Schalom, Kameraden!« Und dann: »Welch eine Überraschung, euch hier zu sehen. Habt ihr die Fahrt genossen?«

    Keiner gibt eine Antwort.
    »Ich hoffe, ihr werdet das hier nicht weniger genießen.« Er gibt Popeye einen Wink mit dem Kopf, und der Junge mit dem Nackenschwanz und der ewigen Baseballkappe der Minnesota Vikings drückt auf den Knopf, an dem noch der Abdruck von Jonsys schweißigem Finger klebt. Die Türen schließen sich. Diesmal stoppt sie keiner im letzten Moment - auch nicht der Wächter, der kurz ansetzt und dann angesichts Vladimirs Pistolenmündung darauf verzichtet.
    Der Aufzug beginnt nach oben zu steigen, gewinnt an Tempo. Es ist einer der Lifte zu den Hotelzimmern.
    »Stopp ihn, Popeye.«
    Popeye drückt auf den Knopf. Der Aufzug

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