Alles paletti
Ruf mich in dem Moment an, in dem du weißt, wohin ihr fahrt, damit wir einen Preis ausmachen.«
»Russen? Shit. Beschissenes Trinkgeld.«
»Da wirst du dich wundern. Ich habe von Uncle Sam gehört, wenn sie zufrieden sind, wird es einen sehr schönen Batzen Trinkgeld geben.«
Chen und Izzi kümmern sich um alle Karten und Unterlagen für die zwei Fahrten.
Chaim sagt: »Ich muss los. Hab ich was vergessen?«
Jonsy nickt. Er reibt Daumen und Zeigefinger aneinander - Geld. »Und zwar eine ganze Stange«, fordert er. »Norden, Süden, Texas, Nevada, Florida. Das heißt viel Geld für Ausrüstung und viel Geld für Benzin.«
Chaim rückt eintausendfünfhundert Dollar für Jonsy und fünfhundert für Schlomi raus, die er bei Chen deponiert. »Das reicht dicke«, bestimmt er. »Chen, gib ihnen die ganzen Papiere. Vergesst die Karten nicht. Bye.« Und weg ist er.
Jonsy sagt zu Izzi und Chen: »Dazu fällt mir nichts mehr ein.« Er zählt mit den Fingern auf: »Auf einem Trip will er Minnesota in zwei Tagen, Chicago, Texas, Florida und noch ein
unklares Ziel im Süden.« Er schlägt mit der Faust hart auf den Schreibtisch, bringt den Drucker zum Wackeln. »Nur bei Sababa Moving and Storag’e ist so was möglich. Zeig diese Route mal dem Vormann einer ernsthaften Firma, der kriegt auf der Stelle einen Herzschlag. Oder er haut seinem Boss schlicht eine runter.« Sein Gesicht ist immer noch gerötet, die Lachtränen von vorher haben Spuren in seinen Bartstoppeln hinterlassen. Er schwitzt, sein Haar ist zerzaust. Chen blickt ihn beunruhigt an und fragt, ob alles in Ordnung sei. Er antwortet: »Ja, warum?« Und dann stößt er noch ein kurzes Kichern aus.
Schlomi ruft an. Er fragt Jonsy: »Ist der fucking idiot gegangen? Hast du gehört, was er zum Schabbat gesagt hat? Wir müssen miteinander reden, Jonsy, was ist mit dem Plan?«
Jonsy erwidert, ohne mit der Wimper zu zucken: »Ich habe beschlossen, ein bis zwei Wochen damit zu warten. Man braucht Zeit für die Planung.«
Schlomi sagt: »Meldet euch.« Und Jonsy: »Aber klar, keine Sorge«, und nachdem Schlomi aufgelegt hat, wendet er sich Chen zu, stößt schwer den Atem aus und sagt: »Jetzt müssen wir uns unterhalten.«
DIE LETZTE NACHT IN NEW YORK?
Chen Eizenberg möchte in diesem September anfangen, Architektur zu studieren. Sie hat sich an der Columbia beworben, muss in wenigen Wochen eine Antwort erhalten. Nach dem, was man ihr bereits gesagt hat, wird sie sicher angenommen, die einzige Frage ist, ob sie wirklich will.
Sie will wirklich. Sie hat nie daran gedacht, damit Karriere zu machen, dass sie die panischen Telefonanrufe von Uncle Sam beantwortet. Sie weiß bloß nicht, was mit Tomar ist. Sechseinhalb Jahre im Moving haben ihn fertiggemacht, er hat ihr gesagt, dass er sein Leben nicht mit Schwachsinn vergeuden will. Er denkt nicht, dass er noch lange in New York bleiben wird.
Diese ganze Geschichte mit Chen hat Jonsy ziemlich überrascht. Darauf war er nicht gefasst gewesen. Aber wer ist auf so etwas schon gefasst?
Sie begegneten sich ausgerechnet in Charlotte, North Carolina, von allen möglichen Orten auf dieser Welt. Jonsy und noch ein Mover namens Joni Bronko saßen drei Stunden im Lastwagen auf dem Parkplatz eines hässlichen Viertels in Charlotte und warteten auf den Kunden, der sich verspätete, hörten HipHop im Radio und unterhielten sich.
Schließlich kam ein Chinese auf den Lastwagen zu. »Da bist du ja, du Wichser«, sagte Jonsy lächelnd auf Hebräisch zu ihm.
»Bitte?«, fragte der Chinese.
Er war ein Vietnamese, der Chinese. Sein Vater war amerikanischer Soldat in Vietnam gewesen und seine Mutter Vietnamesin. Das erzählte er, nachdem Jonsy ihn gefragt hatte, ob er Chinese sei. Er war Flugzeugingenieur. War einen Monat zuvor von San Francisco nach Charlotte gezogen, doch er und seine Frau hassten es. Er lächelte verlegen. Sie kamen hier nicht zurecht.
Seine Frau hatte eine schöne Haut. Joni Bronko sagte es: »Was für eine schöne Haut.«
Jonsy sagte: »Fällt dir auf, wie sie ihn terrorisiert? Sie macht Hackfleisch aus diesem Würstchen, raffst du das?«
Sie schrie ihren Mann an, während sie Essen machte. Jonsy
und Joni luden die Möbel auf den Lastwagen, und jedes Mal wenn sie hereinkamen, um noch etwas zu holen, wirkte sie wütender. Sie schnitt Gemüse mit einem riesigen Messer und kreischte auf Vietnamesisch. Ihr Mann lachte, doch er schien eingeschüchtert. Er fragte: »Fahrt ihr jetzt nach San José? Ich muss in
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