Alles paletti
PFERDE UND AUTOMATEN
Vladimir Berkovich landete Punkt 15.00 Uhr in Minneapolis. Pozailov holte ihn am Flughafen ab und sagte zu ihm, er habe Glück, dass heute ein schöner Tag sei. Viele Flüge seien in den letzten Wochen wegen El Niño verschoben oder gestrichen worden. Worauf Vladimir erwiderte: »Schöner Tag oder nicht, hier ist es viel kälter als in New York. Aber weder für mich noch für dich ist Kälte ein Fremdwort, was, Colonel?«
Pozailov lachte. »Ja, Boss. Nur dass einen dieser El Niño wirklich wahnsinnig machen kann.«
Dann stutzte Vladimir kurz: »Was soll diese Brille im mittleren Lebensalter, ist das jetzt Mode?«
»Mir ist aufgefallen, dass ich nicht so besonders gut sehe. Ich habe von der Villa zum See rausgeschaut, und ich hab’s nicht geschafft, Popeye zu erkennen, der dort gerannt ist. Also bin ich zur Untersuchung gegangen, und es war wirklich nötig.
Der Optiker hat zu mir gesagt: ›Wie lange sind Sie schon so gefahren? Das ist sehr gefährlich.‹« Pozailov lachte wieder.
»Popeye ist um den See gerannt? Ihr denkt wohl, ihr seid auf Erholungsurlaub, eh? Die Automaten sollten fertig und zum Transport bereit sein. Eine Menge Leute hängen an dieser Operation. Ich habe die Besten besorgt. Die Mover, die die Automaten transportieren werden, weißt du, woher ich sie geholt habe? Sie waren beim israelischen Kommando! Verstehst du, was das heißt?«
»Beim israelischen Kommando«, wiederholte Pozailov anerkennend. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Boss, die Dinger sind schon seit gestern fertig. Sie haben wie die Wahnsinnigen gearbeitet, ich hab sie fast nicht schlafen lassen. Nur gestern, als sie fertig wurden, war ich damit einverstanden, dass Popeye ein bisschen rennt. Er wollte Luft schnappen.«
Popeye und Mordechai spielten Schach, als ihre Chefs hereinkamen.
»Doktor Mordechai, Popeye, wie geht’s«, sagte Vladimir und nahm seinen Hut ab. Sie erhoben sich. »Du großer Gott, was ist das für eine Hitze hier?«, fragte er.
»Das ist für die Computer, für die Maschinen«, erwiderte Mordechai.
»Wie ich gehört habe, haben Sie mir etwas zu zeigen«, kam Vladimir zur Sache.
Sie gingen ins Arbeitszimmer. Popeye machte eine ausholende Geste mit der Hand: »Bitte sehr.«
Vladimir betrachtete die beiden Automaten mit Stolz. Hier waren sie nun. Da stand seine Hoffnung, seine Zukunft. Die zwei Spielautomaten, für die er und seine Leute in den letzten
Monaten so schwer gearbeitet hatten. »Sie sind okay?«, fragte er.
Mordechai nickte: »Vollkommen okay, alles in Ordnung, alles bestens.« Er zog eine Dollarmünze aus der Tasche seines Kittels. »Sie sind natürlich noch nicht ans Netz angeschlossen, aber nur damit Sie sehen, dass wir ihren normalen Mechanismus nicht beschädigt haben.« Er steckte die Münze in den Schlitz und zog am Griff. Die Räder drehten sich, die Lichter blinkten, die elektronischen Soundeffekte ertönten. Vladimir lachte, und Pozailov fiel mit ein. Mordechai wirkte wie ein glücklicher Vater, dessen Tochter gerade vor Publikum erfolgreich ein Klavierstück von Beethoven absolviert hatte.
Glücksmaschinen. Spielautomaten. Sprich, Slotmaschine oder auch Einarmiger Bandit genannt. Sie sind in jedem Kasino der Welt sowie in vielen Geschäften, Spielhallen und auf Kreuzfahrtschiffen zu finden. Der gewaltige Popularitätssprung in den letzten Jahren hängt mit einer Image-Änderung zusammen. Früher wurden Slotmaschinen als etwas betrachtet, das nur für Frauen und Kinder war, gegenüber den härteren Glücksspielen wie Karten und Roulette für die Männer. Inzwischen spielen alle an diesen Automaten.
Las Vegas, Modell und Urtypus der Glücksspielwelt, ist zu einem Ort für den Familienzeitvertreib geworden. Nicht nur Männer und Geschäftsleute kommen, um ein paar hundert Dollar zu verjubeln und Stripteasetänzerinnen mit Geldscheinen zu polstern; komplette Familien fahren inzwischen hin und bekommen familiengerechte Unterhaltung geboten.
Diese Spielautomaten liefern eine unmittelbare und schnelle Spannung. Sie haben nichts mit dem hochtrabenden Gerede von Ehre und ungeschriebenen Gesetzen zu tun oder mit Entscheidungen unter Druck wie an den Roulette- und Kartentischen.
Es gibt auch keine Menschen, die über dich urteilen. Das fundamentalste, nackteste, schlichteste Spiel. Die Befriedigung, wenn man etwas gewinnt, ist immens.
Die Kasinobesitzer und die Automatenhersteller wissen, das ist das Erfolgsgeheimnis - die Befriedigung beim Gewinnen.
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