Alles so schoen rund hier - Mein erstes Schwangerschaftsabenteuer
ununterbrochen Schmerzen habe. Ich schlafe wie Jabba der Hutte aus Star Wars . Ich bin ein auf mehreren Kissen ruhendes Ungetüm. Doch im Gegensatz zu Jabba habe ich keine Prinzessin Leia, die an mein Bett gekettet ist, und auch keinen Luke Skywalker zum Spielen. Ich kann kaum glauben, dass ich noch nicht mal die Hälfte hinter mir habe. Oder dass ich mich noch zwanzig Wochen so unwohl fühlen werde. Ich nehme alarmierend viel zu und erzähle meiner Umgebung, es handele sich bloß um Wasser. In diesem Fall muss es sich allerdings um mit allerlei Unrat und Müll angereichertes Wasser handeln. In meinem Elend esse ich nämlich alles, was ich zu fassen kriege. Ich wiege mittlerweile 92 Kilo. Ich sehe aus wie ein Michelin-Männchen. Ich frage mich, ob mein Frauenarzt die Sitzmöbel hat verstärken lassen, denn sie sind die einzigen, die nicht unter meinem Gewicht ächzen und quietschen. Ich beschließe, ihn danach zu fragen.
Er ist ausnahmsweise pünktlich, und ich schiebe mich durch
den Flur zum Heiligen Gral – zum Ultraschallgerät. Diese Aufnahmen sind das Einzige, wofür sich die Schwangerschaft lohnt. Schwer zu sagen, wie man etwas lieben kann, das man weder sehen noch hören noch anfassen kann. Ich habe von Frauen gehört, die von Anfang an eine Bindung zum Ungeborenen verspüren, manchmal kennen sie sogar instinktiv sein Geschlecht. Bei mir ist das anders. Ich versuche Christopher ständig klarzumachen, dass ich mit ihm reden, ihn lieben und kennenlernen werde, sobald wir keinen gemeinsamen Blutkreislauf mehr haben. Von der rein körperlichen Verbindung durch die Nabelschnur einmal abgesehen, spüre ich bisher nur dann eine Bindung zu meinem Sohn, wenn er sich bewegt. Monatelang trage ich ein Ultraschallbild von Chris in meinem Geldbeutel herum. Niemand außer mir kann erkennen, was es darstellt. Ich sehe jeden kleinen Finger und die kleinen Knochen seines Handgelenks. Es ist mein »Hallo, Mami!«-Bild. Es schenkt mir Mut und Vertrauen, wenn ich Schmerzen habe, wenn sich mein Rücken verspannt, wenn ich kaum noch Luft bekomme. Ich sehe mir das Bild so oft an, dass die Farbe ausbleicht und verwischt. Aber ich werfe es nicht weg. Diese Ultraschallbilder sind die einzige Verbindung zu dem Menschen in mir.
Der Gynäkologe teilt meine romantischen Ansichten nicht. Seit er festgestellt hat, dass Chris ein Junge ist, besteht er darauf, ein ums andere Mal die Gonaden meines Kindes auszudrucken. Bislang haben wir sechs Bilder davon. Martin und ich trauen uns nicht, sie irgendjemandem zu zeigen. Wir bewahren sie in einer Schublade im Schlafzimmer auf.
Diesmal fertigt er ein weiteres Bild an.
»Hier kommt eine tolle Nahaufnahme für Martin«, brüstet
sich der Gynäkologe, nachdem er meinen Bauch mit dem erforderlichen Gel vollgekleckst und den Schallkopf befeuchtet hat. Er zieht das Bild aus dem Drucker. »Sehen Sie nur die Grö- ße im Verhältnis zur Körpergröße. Wie der Vater, so der Sohn, was«
Ich befürchte schon, Martin könnte Komplexe bekommen. Aus dieser Perspektive scheint mein Sohn ähnlich gut bestückt zu sein wie ein Kamel.
»Könnte ich vielleicht auch noch eines von seinem Kopf oder seiner Hand bekommen«, frage ich zögernd.
Der Arzt sieht mich zweifelnd an.
»Ich wusste nicht, dass Sie das wollen«, sagt er. »Mal sehen, ob ich ihn dazu bringen kann, seine Lage zu verändern, damit wir einen schönen Schnappschuss bekommen.«
Mein kleiner Stuntman hat es sich gemütlich gemacht und scheint keine Eile zu haben, irgendwelche Kunststücke für seine Mutter oder ein Mitglied der ärztlichen Zunft aufzuführen. Er kehrt uns den Rücken zu.
»Ich könnte eine Aufnahme von seiner Wirbelsäule machen«, bietet mir der Gynäkologe an.
Nun, besser als nichts. Obwohl …
»Toll«, sagt er und sieht auf seine Uhr. »Sieht gut aus.«
Er kehrt in sein Sprechzimmer zurück und lässt mich im Behandlungsraum allein. Ich ziehe meinen Pulli nach unten und meine Hose hoch und folge ihm, um noch ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Aber als ich sein Sprechzimmer betrete, sitzt ihm dort bereits eine andere Schwangere gegenüber. Ich bin etwas verärgert, sie hat sich vorgedrängelt. Ich will gerade eine entsprechende Bemerkung machen, als der Gynäkologe
aufsieht und fragt: »Wollten Sie noch etwas wissen, Sam«
Ich bin am Boden zerstört, fühle mich völlig missachtet. Dieser Mann hat in mich hineingesehen. Ich bezahle ihn dafür, dass er mein Kind zur Welt bringt. Und er hat mich gerade ohne ein einziges
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