Alles so schoen rund hier - Mein erstes Schwangerschaftsabenteuer
betrachtet, war das ein ziemlich böses Erwachen als Mutter. So wird es von nun an immer sein. Martin und ich werden aufgrund der uns verfügbaren Informationen Entscheidungen für unser Kind fällen. Manche davon werden richtig, andere falsch sein. Jetzt begreife ich, was der eigentliche Unterschied zwischen einem Kind und einem Welpen ist: Den Welpen nimmt man mit nach Hause, man gibt ihm zu fressen, zu trinken, eine Decke, und manchmal schläft er auf dem Sofa. Er verlässt das Haus nur sicher an der Leine. Aber ein Kind, das man mit nach Hause nimmt, ist Teil von einem selbst. Alles, was man je gefürchtet, gehasst oder geliebt hat, steckt in der DNA dieses Kindes. Und
bei jeder Entscheidung, die man trifft, muss man diese Schwächen und Marotten berücksichtigen. Wenn das Kind eines Tages das Haus verlässt, wird es nicht bei Fuß gehen. Man muss es von der Leine lassen, damit es seine eigenen Fehler begehen, seine eigenen Entscheidungen treffen kann. Da kann die Liebe noch so groß sein – man kann und sollte es nicht davon abhalten. Aber das ist leichter gesagt als getan und beinahe nicht umzusetzen.
Als die Beschneidung vorgenommen wird, findet sie in einem Behandlungsraum statt, der praktischerweise direkt gegenüber von meiner Station liegt. Christophers Schrei geht mir durch Mark und Bein. Ich begreife, dass ich von nun an stets für zwei leiden werden, seine Ängste werden auch meine sein. All das überfordert mich. Ich weine zum fünften Mal.
Später am selben Tag besuchen mich einige Arbeitskollegen. Nicht irgendwer. Das ganze Management. Ich bin nicht gerade in Hochform. Terry ist die Erste, die ihren Kopf hereinsteckt. Sie sieht fantastisch aus, trägt eine weiße Bluse, rote Caprihosen und glänzend weiße Turnschuhe mit roten Schnürsenkeln. Sie hat eine große, bunt eingepackte Schachtel dabei und einen Stoffhund. Sie sieht wirklich aus wie eine coole Karrieremutter. Bei ihrem Anblick bekomme ich einen Kloß im Hals.
»Hallo«, sagt sie leise, und ihr Lächeln macht Besorgnis Platz.
»Hallo.« Ich versuche ihr Lächeln zu erwidern, fühle mich aber, als wollte ich einen Tennisball verschlucken.
Sie schüttelt den Kopf. »Es ist der dritte Tag, stimmt’s«
Ich nicke.
»Mist, tut mir leid«, sagt sie. »Daran hätte ich eigentlich denken können.«
Merkwürdigerweise muntert mich das etwas auf. Wenn sie sagt, dass der dritte Tag mitsamt Babyblues echt heftig ist, stimmt das vielleicht auch. Vielleicht übertreibe ich doch nicht und mache kein Riesentheater. Vielleicht geht es hier gar nicht um mich.
»Hattest du am dritten Tag auch den Babyblues«, frage ich vorsichtig.
Sie lacht. »Und wie!«
Es geht mir zunehmend besser. Sie ist immer noch meine Chefin, aber sie ist ein Mensch.
»Was hast du gemacht«, frage ich neugierig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Terry derart die Kontrolle verloren hat wie ich. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass sie jemals die Kontrolle verliert. Sie führt eine erfolgreiche Firma, wohnt in einem großen Haus und fährt ein tolles Auto. Sie ist der Inbegriff von Coolness.
»Oh, ich habe geweint und geheult, meinen Mann angeschrien – das Übliche.«
Ich ringe mir ein Lächeln ab.
»Ich weiß wirklich nicht, was ich tun soll, Terry«, gestehe ich ihr wieder etwas vorsichtiger. »Ich habe Angst, dass ich es nicht schaffe, mich richtig um ihn zu kümmern, wenn ich erst mal zu Hause bin. Ich fühle mich einfach überfordert.«
Sie nickt mitfühlend und zeigt auf ihr Handy.
»Du kannst mich jederzeit anrufen.« Sie sieht mich verständnisvoll an, »Ich habe das auch alles durchgemacht, weißt du. Zwei Mal.«
Der Knoten sitzt wieder in meinem Hals. Ich nicke und lächle, weiß aber, dass ich sie nicht anrufen werde. Das kann ich nicht. Nicht ihretwegen, meinetwegen. Wie soll man den Eindruck einer coolen, abgeklärten Karrierefrau aufrechterhalten, wenn man hinter den Kulissen vor der Geschäftsführerin Seelenstriptease betreibt Wie soll man seinen Vorgesetzten Selbstvertrauen vermitteln, wenn man ihnen am Telefon etwas von Schlafmangel vorgeheult hat Als ich mir Terry so ansehe und ihren liebevollen Blick wahrnehme, wünsche ich mir nicht zum ersten Mal, ich würde nicht für sie arbeiten. Sie ist die Art Frau, die ich gern zur Freundin hätte.
»Danke, aber ich komme bestimmt zurecht.« Wohl kaum, aber jetzt ist es heraus.
In diesem Moment klopft es an der Tür. Zwei weitere Köpfe werden hereingesteckt. Ravi Naidoo und Dex de Bruin
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