Alles so schoen rund hier - Mein erstes Schwangerschaftsabenteuer
Frauenarzt. Doch ich habe immer noch Schwierigkeiten, mich zu setzen, und abrupte Bewegungen sind tabu.
Ich frage eine der Schwestern, warum das Mädchen zwei Zimmer weiter, das auch einen Kaiserschnitt hatte, sich so viel schneller erholt. Die Antwort ist alles andere als tröstlich.
»Sie hatte sich von Anfang an für einen Kaiserschnitt entschieden.«
Wir baden gerade Christopher, als sie das sagt. Besser gesagt: Sie badet ihn, während ich mich an eine Stuhllehne klammere und zitternd zusehe. Er sieht so winzig aus. Sein Körper ist so dünn. Wie werde ich es jemals schaffen, so ein zappeliges Etwas zu halten, ohne es fallen zu lassen
»Wie meinen Sie das«, frage ich nervös und sehe ehrfürchtig zu, wie sie ihn fachmännisch in ein Handtuch hüllt.
»Sie hatten beides. Wehen und einen Kaiserschnitt. Also hat Ihr Körper wesentlich mehr durchgemacht.«
Wie schön, das zu wissen.
Schwester Sarah kommt herein, um sich zu verabschieden. Sie und Martin haben Chris sein Heimfahroutfit angezogen, einen Strampler mit dazu passendem Mützchen. Er sieht unheimlich süß, aber auch wahnsinnig schlecht gelaunt aus, wie ein böser Kobold. Ich nehme mir vor, alle Mützchen zu verbrennen, sobald wir nach Hause kommen.
Sarah umarmt mich lächelnd. Jetzt, wo ich so im Zimmer stehe, obenrum normal angezogen und untenrum in Schlafanzughosen, mein Sohn entzückend aussieht, mein Mann attraktiv und stolz, bin ich beinahe guter Dinge. Alles wird gut. Wir werden nach Hause kommen, unseren Sohn in sein neues Bettchen legen, und ich werde alle vier Stunden aufstehen und ihn stillen. Wir werden eine glückliche Familie sein. Deshalb bin ich schließlich schwanger geworden.
Wenn ich an die ersten Tage zu Hause zurückdenke, fällt mir vor allem eine Szene ein: Ich stehe vor dem Badezimmerspiegel und putze mir die Zähne. Es ist drei Uhr morgens, und mein Kind liegt in seinem Zimmer und schreit Zeter und Mordio. Ich putze, bis das Zahnfleisch blutet, weil ich weiß, dass ich meinem Kind sonst vielleicht etwas antue, wenn ich wieder in sein Zimmer gehe. Ein Jahr später lese ich ein Buch von Susan Jeffers (Autorin des Ratgebers Selbstvertrauen gewinnen: Die Angst vor der Angst verlieren ). Ein Satz aus Aber lieb sind sie doch geht
mir durch Mark und Bein. Da steht sinngemäß: Warum hat mir bloß niemand gesagt, wie verdammt hart das wird Über solche Dinge erfährt man nie irgendwas, anscheinend haben sich alle geschworen, darüber zu schweigen. So als müsste man sich schämen, wenn einen das eigene Kind überfordert. Wenn man sich vor etwas fürchtet, das weniger wiegt als ein Jack Russell und nicht mal seine scharfen Zähne besitzt. Ich fühle mich völlig unzulänglich. Ich bin nicht in der Lage, die in mich gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Ich fühle nicht, was ich fühlen sollte. Ich bin müde, nein, völlig erschöpft und verzweifelt. Ich fühle mich wie unter irgendeiner perversen Folter. Das Außenministerium der USA hat Schlafentzug tatsächlich als Folter eingestuft. Und ich habe mal irgendwo gelesen, dass man schneller an Schlafmangel stirbt, als dass man verhungert. Aber vielleicht bilde ich mir das auch nur alles ein. Das kann durchaus passieren, wenn man in vierundzwanzig Stunden nur zwei geschlafen hat. Martin geht wieder zur Arbeit – ein Notfall, sein Vaterschaftsurlaub wurde gestrichen. Er hat ein furchtbar schlechtes Gewissen. Ich mache alles nur noch schlimmer, indem ich schreie, meckere und weine. Ich sage ihm, dass er uns nicht liebt, mich nicht liebt. Ich sehe ihm mit Tränen in den Augen nach, als er zur Arbeit geht, und hasse mich dafür. Meine Mutter fliegt in der nächsten Woche nach Paris. Sie wird Urlaub machen und mich allein lassen. Ich bin gern allein. Nur leider bin ich nicht wirklich allein. Ein schreiendes, scheißendes, wütendes Wesen ist bei mir. Ich zwinge mich, mich nicht auf sie zu verlassen, sie nicht zu brauchen. Ich sage mir, dass es sinnlos ist, die Schleusen zu öffnen, nur um sie am nächsten Dienstag wieder zu schließen, wenn ihr Flug geht.
Ich komme an einem Mittwoch nach Hause, danach ruft sie jeden Tag an. Und jeden Tag belüge ich sie.
»Alles in Ordnung, mein Engelchen«
»Ja, ja, alles bestens.«
»Brauchst du irgendwas« Ich höre ihr an, dass sie sich danach sehnt, gebraucht zu werden. Das ist ihr erstes Enkelkind, und sie ist seit drei Generationen die Einzige, die lange genug gelebt hat, um das mitzuerleben.
»Nein, nein«, sage ich und lache schwach.
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