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Alles total groovy hier

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Titel: Alles total groovy hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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von mir fernzuhalten?
    Der Strand war nur noch eine leere, tote Fläche Sand, zerwühlt von Reifenspuren, fleckig von Kot und Blut. Ich ging ein Stück, hockte mich hin und stierte raus aufs Meer, so unnatürlich still, so glatt wie ... wie ein ... Spie- gel.
    Mein Nackenhaar stand auf und wollte sich nicht wieder legen.

TAG 4
    Noch vor dem Morgengrauen rissen mich Stimmen, Türenschlagen und startende Motoren aus dem Schlaf. Ich setzte mich auf, rubbelte mir den Sand aus dem Haar und von den Armen. Meine Schulter fühlte sich dick an wie ein Fußball, doch das Gefühl kroch zurück in den Arm, die Finger ließen sich schon wieder bewegen. Wohl aus Sicherheitsgründen hatten die noch verbliebenen Surfer und der Rest der Wohnmobilisten beschlossen, ihre Abreise durch das Feindesland im Konvoi und im Schutz der Dunkelheit in Angriff zu nehmen. Bis sie sich dann endlich auf eine Reihenfolge geeinigt und kollektiv den ersten Gang eingelegt hatten, wurde es längst hell.
    Dieselruß hing noch eine Weile in der Luft, während das Motorengebrumm sich allmählich in der Ferne verlor. Zurück blieb jede Menge Platz. Oder, anders ausgedrückt, eine sichtbare, eine spürbare Leere.
    Nach all den künstlich befeuerten Leibesübungen der letzten Nacht gönnte sich die Gemeinschaft ein paar Stunden Schlaf mehr als sonst. Nur meine drei dunklen Freunde waren schon auf den Beinen und munter dabei, der alten Eiche auch den Rest ihrer Äste abzuhacken. Das tschackende Geräusch ihrer Macheten hallte über das ganze Gelände.
    Niemand widersprach, als ich mal kurz bei Alice reinschaute. Das konnte nur heißen, dass sie nicht da war, und so war es dann auch.
    Auch der Hymer war leer, Scuzzi nicht in seinem Bett. Wieder nicht, sollte ich vielleicht sagen. Wahrscheinlich war er endgültig zu der handverlesenen Schar von EliteHippies in die >ViejaQueseria< gezogen, die >AlteKäserei<, ein >spiritueller Ort für spirituelle Leute<, dessen Lage in den Hügeln im Süden vor Normalos wie mir genauso geheim gehalten wurde wie die des Blumen und Rauschmittelliefernden Gartens.
    Ich hatte Scuzzi schon zwei-oder dreimal nach dem Weg gefragt und selbst von ihm nur ausweichende Antworten erhalten. Lächerlich.
    Ein Ort ist ein Ort und damit auffindbar. Umso leichter, wenn er regelmäßig von einem ölinkontinenten Landrover angesteuert wird. Sollte Scuzzi nicht bald wieder auftauchen, würde ich losziehen und ihn mir greifen. Doch erst mal hatte ich noch zu grübeln.
    Meine Augen wollten zum Wasser, in die Weite schweifen, und meine Füße hatten nichts dagegen. Wenn ich mich damit abfand, Schisser nicht mehr lebend zu finden, wenn ich einen persönlichen Schlussstrich zog, einen Schnitt machte, musste das Konsequenzen auf mein Vorgehen haben. Anders als die Suche nach einer lebenden Person konnte die Suche nach einem ermordeten Schisser in erster Linie der Problematik folgen, die sich dem oder den Mördern nach der Tat gestellt hatte: Wohin mit der Leiche. Wohin mit dem Motorrad. Wohin mit dem Geld.
    Senkrecht und schwarz stand der Rauch über den Klippen im Norden. Grau wie der Himmel, glatt wie Glas lag das Meer. Wohin, wohin, wohin.
    Durch den Spiegel ist er gegangen, hatte Alice gesagt. Alice aus dem Wunderland, Alice die Acid Queen, Alice der Kleine Rauch, Alice mit dem losen Sparren. Ich rappelte an der Tür des Surf-und Tauchshops. Eine Brille, ein Schnorchel, eine Luftmatratze. Eine Woche auf dem Bauch, mit dem Kopf unter Wasser.
    Theoretisch hatte ich die Zeit. Alle Zeit der Welt. Das Problem bestand für mich allein darin: Hatte ich auch die Nerven?
    Erst war es nur ein Mast, lang und schlank und segellos, ein dünner Stängel am fernen, krummen Horizont. Dann wurde allmählich ein Schiff darunter sichtbar.
    Eine Segelyacht, aufgrund der Flaute vorangetrieben von einem weithin hörbar tuckernden Einzylinder-Diesel. Sie hielt genau auf mich zu, auf die Spitze der Mole, wo ich hockte, stierte, grübelte. Allein, wie Otis. Gizelle stand am Bug und eine Frau am Ruder, die mir keinerlei Beachtung schenkte. Sie steuerte lässig durch die Hafeneinfahrt, wendete mit leichter, sicherer Hand und brachte das Boot längsseits zur Kaimauer. Der Motor verstummte und das Schiff glitt geräuschlos an die Mole heran. Hilfsbereit, wie ich bin, stand ich auf, doch selbst da nahm die Seglerin noch keine Notiz von mir, etwas, an das ich mich in den letzten Tagen eigentlich hätte gewöhnt haben sollen, aber nach wie vor schwer zu akzeptieren fand. Vor allem

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