Alles total groovy hier
wenn die Wildgänse ziehen. Ziellos stromerte ich herum. Wollte auf den alten Leuchtturm - verschlossen. Besah mir die alten Wellblechschuppen - verschlossen. Entdeckte ein Bootshaus - verschlossen. Surf-und Tauchschule samt Shop - verschlossen. Und zwar alles ausgesprochen solide. Dicke Überwurfriegel, bündig eingepasste Schlösser, Türrahmen und -zargen aus rund sechs Millimeter starken Flach-und Winkeleisen. Naja. Ehemalige Militäranlagen, halt. Weiß der Deibel, was die hier damals unter Verschluss gehalten hatten. Bevor sie es in die nächste Bucht kippten. Vor dem Wachhäuschen am Eingang wartete ein alter Landrover und tropfte Öl in den Sand unter seinem Motorblock. Er war offen, völlig verstaubt, mit spanischen Kennzeichen, Trittbrettern an den Seiten und einem Anhänger voller Koffer, Schlafsäcke, Rucksäcke, Reisetaschen. Nach und nach kamen die Kids an, zusammen mit den Müttern, kraxelten in den Wagen.
Leroy schloss seinen Laden ab, rief nach Armand, Obutu und Friedrich und schwang sich hinters Lenkrad. Die drei Trommler hievten ein Netz voll handlicher Steine in den Rover und stellten sich dann beidseitig auf die Trittbretter.
Zwei VW-Bullis mit Surfern schlossen sich an, und ab ging die Reise. Ich winkte hinterher, und niemand winkte zurück. Fickt euch, dachte ich.
Alices Behausung stand einsam da und unbewacht, also klopfte ich rasch mal an ihre Tür. Klopfte noch mal. Probierte den Griff, ließ mich ein.
»Alice?«
Doch nein. Keine Alice. Ich sah mich ein bisschen um, aber es fand sich keine Nachricht an mich oder sonst irgendwas, das mich weitergebracht hätte. Noch nicht mal Pillen, die ich hätte einstecken und, Stück für Stück, gegen möglichst präzise Informationen eintauschen können.
Dammich.
Eine kalte Dusche ist eine kalte Dusche und hat es nicht ohne Grund bis in den Rang eines geflügelten Wortes geschafft, doch die Paradise Lodge ließ mir keine Wahl. Eine vom Duschkopf baumelnde Kette beschränkte die Einstellungsmöglichkeiten auf entweder >An<
oder >Aus<.
Ich pellte mir die Plörren vom Leib, hängte sie an einen Haken, trat unter die Brause, biss die Zähne zusammen, zog die Kette und weichte mich schaudernd ein. Als ich wieder losließ, drang ein weibliches Flüstern an mein Ohr.
»Kristof? Lass mich rein, ja?«
Von irgendwo sprang mich die irre Hoffnung an, es könne sich um Vishna handeln. Vishna mit dem Flaum im Nacken, Vishna mit den ranken Armen, Vishna in ihrem Rüschenkleid, gehalten von zwei Schleifen, an denen man nur zupfen musste und ...
Doch draußen stand natürlich nur Alice. Augenblicklich schloss ich die Tür wieder und schob den Riegel vor. Dies weniger aus Schamhaftigkeit als vielmehr aus Besorgnis, sie könnte sich zu mir reindrängen. Irgendwie fühlte ich mich nicht recht gewappnet für einen Verführungsversuch durch eine lebende Mumie. Falsches Genre, wahrscheinlich. Gleichzeitig hatte mich der Gedanke an Vishna aber stimuliert - ach was, stimuliert, rattig gemacht. Und das Wetter förderte das noch. Diese momentane Schwüle war wie geschaffen für träge, genussorientierte, sich endlos hinziehende erotische Leibesübungen.
Ich seifte ihn ein, hart wie ein Knüppel unter der Hand. Schielte nach dem Türriegel. Es war eine Weile her, immerhin. Und an dieser trällernden, als Sexsymbol gehandelten Fußballergattin ist, seien wir mal ehrlich, auch nicht viel mehr dran.
»I'm the gipsy, the Acid Queen«, kam es mit kippeliger Stimme von draußen herein, und ich drehte mich um, zog die Kette und hielt ihn unter den kalten Strahl.
»Acid Queen kommt hin«, sagte ich. »Aber die Zigeunerin nimmt dir keiner ab.«
»Spring mit mir durch den Spiegel, Kristof.«
Fast hätte ich >Spring du vor< gesagt, doch dann verschluckte ich es. Nachher nahm sie das wörtlich. Sorgfältig schäumte ich mich von Kopf bis Fuß ein, in Vorbereitung auf einen letzten Schritt unter das verdammt kalte Wasser.
»Sowie Schisser.«
Hä?
»Was ist mit Schisser?«, fragte ich und hechtete unter die Dusche. Riss an der Kette. Und - das Wasser blieb weg.
»Alice,sprich mit mir! Was ist mit Schisser?«
»Wir hatten Kontakt. Schisser ist auch durch den Spiegel gesprungen. Und nie wiedergekommen. Er ist jetzt auf der anderen Seite.«
»Welche andere Seite?« Ich wollte sie packen, schütteln, doch erst mal musste ich den verdammten Schaum loswerden, und ich konnte an der Kette zerren, wie ich wollte, von oben kam kein Tropfen mehr.
»Von was für einer
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